Vintage-Uhren

IWC Da Vinci: Eine Uhr erfindet sich neu

Das Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts war für die Uhrenhersteller in der Schweiz alles andere als eine segensreiche Zeit. Die mechanische Uhr schien überholt, Marktanteile gingen an asiatische Hersteller. 1962 wurde in Neuchâtel das Centre Electronique Horloger gegründet – mit dem Ziel, ein Quarzwerk zu entwickeln, das in der Genauigkeit mechanische Chronometer schlagen sollte. Das Unternehmen war ein gemeinschaftliches Projekt von Rolex, Patek Philippe, IWC, Jaeger LeCoultre und Omega. Der erste Prototyp wurde 1966 präsentiert und nutzte die elektrischen Eigenschaften eines Quarzes, unter Strom definiert zu schwingen. Ein Jahr später wurde das Uhrwerk patentiert – allerdings gewann Seiko den Wettlauf und stellte am 25. Dezember 1969 die Astron Quartz als erste Serien-Quarzarmbanduhr vor. Ab dem Frühjahr 1970 dann ging das Schweizer Kaliber Beta 21 in den Verkauf. Die Technik ist komplex: Der Stabquarz schwingt mit 8.192 Hertz, die ein Schaltkreis auf 256 Hertz reduziert. Der damit angetriebene Mikromotor treibt über eine mit Rubinen besetzte Schaltklinke ein Rad mit 256 Zähnen an.

Das Kaliber BETA 21.

Genial: Kurt Klaus

Bei IWC wollte man dem BETA21 einen besonderen Rahmen einräumen und entwickelte ein eigenes Gehäuse für die Uhr. Das Ergebnis ist eine sechseckige Uhr mit futuristischem Anspruch und Design, ein integriertes Stahlband macht die Uhr zu einem perfekten Ensemble. Als Name wurde Da Vinci gewählt. Auf dem Gebrauchtmarkt sind diese Ur-Modelle der Kollektion wenig gefragt und daher für ein überschaubares Budget um die 2.000 Euro zu haben. Allerdings sind die Angebote rar gesät – nur 600 Da Vinci wurden mit dem elektronischen Kaliber bis 1974 gebaut.

Die ursprüngliche IWC Da Vinci. © Antiquorum

1984 erreicht die Da Vinci eine neue Sphäre, und verantwortlich dafür ist der damalige IWC-Chefentwickler Kurt Klaus. Er sorgt damals für eine neue Form der Ewigkeit und konstruiert einen autonomen ewigen Kalender als Modul. Die Anzeigen sind einfach zu steuern und zu korrigieren, die höchste aller Komplikationen für eine Kalenderuhr wird zu einem Meilenstein der Entwicklung von IWC über die Jahrhunderte. Sogar eine vierstellige Jahresanzeige findet auf dem Zifferblatt Platz. Über die Krone können sämtliche Funktionen eingestellt werden, allerdings nur vorwärts. Bei einem Datumssprung mehr als nötig hilft also nur, die Uhr über die Krone zu stoppen – und bei zu starkem Spieltrieb musste einer der Meisteruhrmacher in der Manufaktur das Problem lösen. Als Antrieb für den genialen Mechanismus dient das Valjoux 7750, das umfassend überarbeitet und finissiert wurde.

Keramik, Gelbgold, und das hochkomplexe Werk: Die IWC Ref. 3755 aus 1986 mit Kalender und Chronograph. © Antiquorum

Eines der frühen Modelle schlägt mit 6.000 bis ca. 20.000 Euro zu Buche, je nach verwendetem Gehäusematerial. Hier reicht die Spanne von Edelstahl bis zunächst Gelbgold. 1986 stellte IWC die Uhr in einem Gehäuse aus schwarzer Keramik, kombiniert mit Gelbgold, vor. Diese Variante mit dem auffällig schwarzen Gehäusekorpus ist selten und daher eine der teuersten auf dem Markt gebrauchter Da Vincis. Verantwortlich zeichnete damals Lothar Schmidt, heute Inhaber von Sinn Spezialuhren zu Frankfurt, für die Uhren aus dem neuen Werkstoff. Das Zirkonoxyd war damals wie heute extrem hart und kratzresistent, allerdings schwer zu bearbeiten. Neue Technologien waren auch zum Zusammenbau der drei Gehäuseteile der Da Vinci Keramik nötig, die gesamte Fertigung der Uhr dauerte nahezu fünfmal so lange wie die Montage eines Gehäuses aus Gold. Über die Jahre ergänzten weitere Besonderheiten die Modellreihe – unter anderem ein Handaufzug-Tourbillon, das im Goldgehäuse zu einer der IWC-Raritäten zählt.

Die Da Vinci als Handaufzug-Tourbillon in massivem Gold. Die Ref. 3752 wurde in limitierter Auflage von 200 Uhren produziert. © Antiquorum

2007: Die Vintage-Kollektion

Vor zehn Jahren brachten die Designer von IWC die spannende Historie der Marke mit einer Vintage-Kollektion zu neuem Leben. Neben Klassikern wie der Ingenieur oder der Fliegeruhr gehörte auch die Da Vinci dazu. Mit dem sechseckigen Gehäuse zitiert die neue Da Vinci das Gehäuse der ersten Version, die Proportionen allerdings wirken weniger gedrungen und damit harmonischer als bei Urversion. Anstelle des Gliederbandes aus Edelstahl kommt nun ein Lederband aus Alligator zum Einsatz. Angetrieben von mechanischen Uhrwerken aus dem Haus IWC weicht die Da Vinci weiter vom Original ab – zudem hat die neue der alten Da Vinci einen Sichtboden voraus. Zu sehen ist der berühmte Pellaton-Aufzugsmechanismus, den IWC seit den 1950er Jahren verwendet. Die Rotorbrücke nimmt eine ungewöhnliche Schlangenform auf und dient damit gleichzeitig als Feder, die den Rotor gegen Stöße schützt. Als Hommage an den Entwickler Kurt Klaus bringt IWC den ewigen Kalender ebenfalls in das eckige Gehäuse und präsentiert die streng limitierte Da Vinci Perpetual Calendar Kurt Klaus Limited Edition mit der Referenz IW376201. 50 Uhren werden gebaut, der massive Boden des Platingehäuses wird von einem gravierten Porträt von Klaus geziert.

Die Heritage-Kollektion wird 2007 vorgestellt und zitiert das Urmodell. Hier abgebildet ist die Ref. 4523 in Edelstahl mit Großdatum. © Antiquorum

2017: Zurück zum Kalender

Der Schwerpunkt der neuen Da Vinci-Linie liegt weiter auf eleganten Uhren. Als Weiterentwicklung des Meisterwerks von Kurt Klaus-Uhr gibt es einen ewigen Kalender mit Chronograph. Die Stoppsekunden und -minuten können dabei von einem Hilfszifferblatt bei 12 Uhr abgelesen werden – wenn nicht gestoppt wird, steht der Totalisator für eine zweite Zeitzone zur Verfügung. Ähnlich wie 1984 wurde ein Modul verwendet, das allerdings mittlerweile auf einem Manufakturwerk der IWC Einsatz findet. Für das Kaliber 89360 wurde ein komplett neuer Modulaufsatz konstruiert. Die Mondphasenanzeige ist daher auch im gleichen Hilfszifferblatt zu finden wie die Stoppsekunden und –minuten. Das Zifferblatt zeigt zudem das Datum, den Wochentag und den Monat – sowie eine vierstellige Jahresanzeige. Die Anzeige der Kalenderdaten ist präzise bis zum Jahr 2499, eine manuelle Korrektur ist lediglich in den Nicht-Schaltjahren 2100, 2200 und 2300 am jeweils 1. März nötig.

Da Vinci – mit Kalender und Chronograph, ganz wie das Vorbild aus dem Jahr 1986. © IWC

Die Da Vinci hat sich wieder selbst neu erfunden und festigt damit eine Position als Klassiker mit zwei Gesichtern. Für den Kalender in Stahl müssen 32.000 Euro angelegt werden. Dafür gibt es 43 Millimeter feinster Uhrmacherkunst, und wie die Preise für ältere Da Vinci-Modelle zeigen, kann man von einem Wertverfall nicht reden. Da Vinci – und damit nicht nur die historische Person – ist ein Universalgenie.

 

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