AllgemeinVintage-Uhren

Rolex und die Patina

Wer sich mit der Marke Rolex nicht genau auskennt, mag sich manchmal wundern: Uhren, die – höflich ausgedrückt – Spuren eines anstrengenden Uhrenlebens zeigen, erzielen Preise in fünfstelligen Regionen. Genauer gesagt: Die Uhren haben Tragespuren, Plexigläser mit Riefen und Zifferblätter, die verfärbt oder sogar gesprungen sind. Die Liebe zu diesen Spuren geht sogar weiter – Rolex-Kenner verleihen der sehr eigenen Patina Namen wie Spiderweb-, Patrizzi- oder Tropic-Dial. Alle drei Merkmale wirken sich extrem wertsteigernd aus.

Dieser Rolex Daytona Paul Newman Ref. 6265 Big Panda mit Bakelitlünette sieht man das Alter nicht an. Sie durfte ihr Leben größtenteils in einem Tresor verbringen. © Watchmaster

Rolex-Enthusiasten nennen die Referenz 16520 auch „Zenith-Daytona“ – denn eingebaut war das von Zenith gelieferte El Primero-Chronographenwerk. Zwischen 1987 und 2000 wurde diese Sportuhr mit hohem Dressfaktor in verschiedene Blattvarianten gebaut. Zwar gibt es kaum offizielle Daten zu den Produktionszeiträumen und Detailunterschieden der Modelle, die zahlreichen Fans rund um die Erde analysieren jedoch sämtliche Details der Kollektionen – so auch die 16520.

Patrizzi-Effekt

Eine typische Daytona „Patrizzi“ mit den hellbraunen Verfärbungen der Totalisatorenringe. © Antiquorum

Beim Blick in Auktionskataloge oder bei zertifizierten Online-Angeboten fallen Modelle der Daytona 16520 mit einer besonderen Eigenschaft auf. Die silbernen Skalenkränze der Totalisatoren beim schwarzen Zifferblatt haben sich bräunlich verfärbt. Was bei anderen Marken als Fabrikationsfehler zu einer kulanten Regelung mit dem Kunden führen würde, sorgt hier für Preise ab 25.000 Euro und mehr. Der sogenannte Patrizzi-Effekt tritt ausschließlich bei Zifferblättern aus den Jahren 1993 bis 1995 auf, die braunen Verfärbungen können von einem leichten Karamellton bis zu einem tiefen Nussbraun reichen – je dunkler, desto teurer wird die Uhr gehandelt. Benannt ist das Zifferblatt nach dem Uhrenauktionator Osvaldo Patrizzi, der den Effekt als einer der ersten erkannte. Die Ursache war übrigens ein organischer Schutzlack, der eine Oxidation des Metalls zuließ.

Während das blau der GMT-Lünette noch frisch wirkt, ist der rote Teil bereits leicht verblichen: Ein typisches Beispiel für die wertvolle Patina einer Rolex. © Watchmaster

Ein anderer Klassiker der Modelle von Rolex ist die GMT-Master, die nicht nur Handgelenke von Prominenten wie Sylvester Stallone, Tom Selleck als „Magnum, P.I.“ oder Fidel Castro zierte. Auch sie durchlief die sanfte Evolution, die Rolex generell bei der Modellpflege auszeichnet. Hektische Modell- und Designwechsel bleiben anderen Marken überlassen, sowohl technisch wie auch optisch geht man vorsichtig und auf Basis der Historie vor. Unter den verschiedenen Referenzen ist die 1675 ein besonderes Phänomen: Je blasser, desto teurer. Und das bezieht sich auf die Lünette, die eine Einlage aus gefärbtem Aluminium hat.

Leuchtmasse in Vanilleton, und eine wunderbares Grau und Magenta sind bei dieser 1675 von der ursprünglichen Farbgebung übrig. © Antiquorum

Pepsi oder Coke?

Fast farblos ist diese Lünette über die Lebensjahre der Uhr geworden. © Antiquorum

Die Ref. 1675 wurde 1959 lanciert und brachte auch optisch ein paar Veränderungen in die Serie, die bereits seit 1954 mit der ersten Referenz 6542 zu kaufen war. Mit der 1675 erhielt die GMT die beiden typischen Nocken an der Krone, um diese vor Schlägen zu schützen. Zudem wurde ein mattes statt einem glänzenden Blatt verbaut. Die sogenannte Pepsi-Lünette war rot und blau, erst in den 1970er Jahren wurde auch eine Version mit schwarzer Lünette eingeführt. Die Ref. 1675 wurde bis 1980 produziert und dann von der Ref. 16750 abgelöst, und auch bei der späteren Ref. 16710 kann man das Phänomen noch beobachten. Bei diesem Modell waren dann auch Lünetten im Coke-Design – rot und schwarz – zu haben. Erst 2007 brachte Rolex die GMT-Master mit Keramikeinlage auf den Markt. Bis dahin jedoch leiden die Einlagen aus Aluminium unter Verblassen. Und das macht jede der Uhren zu einem Unikat, denn der Grad des Ausbleichens ist abhängig von UV-Strahlung, Wasser, Chemikalien oder Kosmetika. Das Rot der Pepsi-Lünette kann sich bis zu Pink, Fuchsia bis hin zu Magenty entfalten. Der blaue Teil kann sich zudem bunt färben.

Historische Rolex-Werbung: Zwei Ikonen – die Concorde und die Rolex GMT 1675 am Jubilee-Band.

Je nach Variante der 1675 fangen die Preise bei 10.000 bis 15.000 Euro an, besonders rare Zifferblattvarianten können auch 30.000 bis 40.000 Euro erzielen. Und auch da gibt es feine Unterschiede wie das Zifferblatt mit „Long E“ im Rolex-Schriftzug, selbst die Datumsscheiben haben ihre eigenen Namen. Darunter die Scheibe mit „Hook 7“. Der Wert so komplett originaler Uhren ist noch höher, trotz Patina, da Rolex beim Service beschädigte Teile austauscht. Das gilt insbesondere auch für die Zifferblätter und Zeiger mit Tritium-Leuchtmasse. Beim Service im Werk werden diese durch Varianten mit Superluminova ersetzt. Angenehm gealterte Tritium-Leuchtmasse wird oft liebevoll Pumpkin genannt – die leichte Kürbisfarbe verleitet dazu. Selbst die Griffzahnung der Lünette ist unterschiedlich innerhalb der Serien.

Die Submariner im Schoko-Look mit einem sogenannten „Tropical Dial“. © Antiquorum

Submariner

Das Thema der blässlichen Lünetten betrifft auch DEN Klassiker aus dem Programm von Rolex: Die Submariner. Grob gerechnet kommen auf jede echte Submariner mindestens 1.000 Uhren ähnlicher Optik – diese Taucheruhr ist nicht nur eine Designikone, sondern auch eine der wertstabilsten Uhren der Welt. Rolex präsentierte die Submariner erstmals 1953, entwickelt als professionelle Tauchuhr und unverzichtbarer Ausrüstungsgegenstand für den Unterwassereinsatz. Als erste Armbanduhr garantierte die Submariner auf Basis des Oyster-Gehäuses Wasserdichtheit bis 100 Meter Tiefe. Die Twinlock-Krone stand für eine doppelte Abdichtung, heute kommt eine Triplock-Krone mit drei Dichtringen zum Einsatz: Am Tubus außen, innen und in der Kronenkappe. Für besonders gute Ablesbarkeit bei schlechten Lichtverhältnissen und in größeren Tiefen sorgten die mit Leuchtmasse beschichteten Zeiger und Indizes der Uhr. Und mit ihrer verstellbaren Drehlünette bot die Submariner dem Taucher ein einfaches Instrument, um die Tauchzeit planen und im Blick behalten zu können. Dies war entscheidend zum Einhalten der Dekompressionszeiten, die über Leben oder Tod entscheiden können. In Zeiten von Tauchpionieren wie Jacques Costeau wurden immer höhere Tauchtiefen erreicht, und manch Taucher wurde von der Tiefenkrankheit durch ein Übermaß an Stickstoff im Blut eingeholt.

Aus schwarz wurde grau im Fall dieser Tauchlünette. © Antiquorum

Die Modelle waren ebenfalls bis zum Erscheinen der Keramiklünetten mit einer Lünetteneinlage aus Aluminium versehen. Das satte Schwarz wird über die Jahre blasser und grau, bis hin zu einem metallischen Silberton. Und auch die Zifferblätter durchlaufen manch magischen Alterungsprozess. Mit dem Spiderweb-Dial wird ein bestimmtes Muster an Rissen im schwarzen Decklack bezeichnet. Ein wertsteigerndes Detail, bei anderen Marken wäre es jedoch eher eine Beschädigung. Das gilt auch für die „tropical“ Zifferblätter, bei denen die Farbe des gesamten Dials komplett verändert ist. Meist wird der Farbton wie der von Schokolade in allen möglichen Schattierungen, von dunkel bis eher hell – und wirkt sich natürlich wertsteigernd aus.

Ein extremes Tropical Dial einer Erstzeit-Submariner: Dunkelbraun, und auch die Leuchtmasse ist sichtlich gealtert. Nur im Sekundenzeiger wurde das originale Tritium der Uhr erneuert. © Antiquorum

Stretch im Band

Oyster am Ende: Dieses Band einer Stahl-Gold-Submariner hat sehr gelitten und muss komplett neu aufgearbeitet werden. © R-Straps

Auch die Armbänder kommen nicht ohne Patina aus. Bei jeder Omega, TAG Heuer oder Breitling würde man es ausgeleiert nennen, bei einer Rolex handelt es sich um feinen „Stretch“. Gemeint ist damit das Spiel zwischen den Gliedern, das im Alter sowohl bei Oyster, Jubilee- und Präsidentband zunimmt. Ist der Stretch nicht zu weit fortgeschritten, trägt sich so ein Band sehr salopp, wird das Material aber zu dünn, besteht die Gefahr eines Abrisses. Besonders gefährdet sind die Jubilee-Bänder in Stahl-Gold, deren Innenteile aus Gold, die Außenglieder jedoch aus Stahl gefertigt sind. Das weiche Edelmetall wird über die Jahre immer dünner und instabiler. Dies gilt auch für Stahl-Gold-Oysterbänder.

Das Schöne an dem Trend zur Patina: Während andere Vintage-Uhren oft nicht sehr materialschonend aufbereitet werden, um so neu wie möglich auszusehen, darf sich eine gealterte Rolex leisten, die Spuren der Jahre zu tragen – und profitiert auch noch im Wert.

 

 

 

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