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Spezialuhren: Instrumente mit Sinn

Für 79,50 Deutsche Mark, knapp 40 Euro, verkauft Helmut Sinn in den 1960er Jahren eine Taucheruhr, 200 Meter wasserdicht und mit Schweizer Automatikwerk. Die Rubriken Fliegerchronographen, Industrie-, Rennsport- Bord- und Taucheruhren stehen damals neben dem Firmennamen. Sinn, geboren 1916, kam 1918 als Flüchtling mit seiner Familie aus dem Elsass in die Pfalz. Der Flughafen Speyer löste Träume aus: Pilot wollte Sinn werden. Nach etlichen Einsätzen wurde er zum Blindfluglehrer ausgebildet und schulte Flieger auf Baumustern wie der Junkers JU 52, JU 88 oder der zweimotorigen Heinkel HE 111. Nicht umsonst erhielt der Pilot schon früh den Spitznamen „schneller Helmut“. 1953 gründet er sein erstes Uhrengeschäft. Einige private Wirren allerdings ließen das junge Unternehmen zunächst warten, stattdessen schob Helmut Sinn 1953 eine andere Episode ein: Mit einem VW Käfer wurde er bei der Rallye Algier-Kapstadt nach 18.000 Kilometern Sieger in seiner Klasse.

Früher Sinn-Katalog.

In den 1970er Jahren verhieß die Sinn-Werbung stolz, dass nicht nur alle Lufthansa-Maschinen der Typen 707, 727 und 737 mit Borduhren von Sinn ausgestattet sind. Auch die Luftwaffe hatte den „Witwenmacher“, die Lockheed F-104 „Starfighter“, ebenso wie die Dornier-Baumuster DO 27, DO 28 und die neuen Hubschrauber von Bell, das Modell UH-1 D, mit Sinn-Uhren versehen. Auch der brandneue Tornado, die Panavia 200, tickte mit Sinn richtig. Für Piloten und Privatleute bot Sinn die 103 A mit dem Schaltradkaliber Valjoux 726. Die Uhr mit Drehlünette ist perfekt ablesbar und komplett auf die Ansprüche schneller und präziser Zeitmessung ausgerichtet. Der Direktvertrieb ermöglichte günstige Preise ohne den Aufschlag von Handelsspannen: 360 Deutsche Mark kostete die Uhr bei Bestellung im Parkweg 6 in Frankfurt-Rödelheim. Es entspricht heute sechs Richtigen im Lotto, eine originale 103 von damals im 10 ATÜ wasserdichten Edelstahlgehäuse zu finden. Nicht verwunderlich sind daher die Preise, die je nach Kenntnis des Verkäufers zwischen 3.000 und 10.000 Euro liegen. Angebote für Erstzeit-103 lassen sich aber weltweit an wenigen Fingern einer Hand abzählen. Heute steht die 103 mit 1.550 Euro in der Preisliste, klassisch an einem Lederband.

Piloten haben Sinn-Zeit: Damals wie heute prägen klassische Instrumentenuhren das Lieferprogramm.

Mitte der 1970er Jahre kam eine Modellfamilie ins Programm, die für Sinn noch besondere Bedeutung bekommen sollte und bis heute hat. Während der Spacelab D-1-Mission 1985 im Weltraum trug der Astronaut Reinhard Furrer eine Sinn 140 in schwarz beschichtetem Edelstahl, bei der auf die 24-Stunden-Anzeige verzichtet wurde. Helmut Sinn, damals noch Inhaber von Sinn Spezialuhren, verkaufte dem Astronauten Furrer und zwei seiner Kollegen die Uhren –mit 25 Prozent Rabatt, wie er Jahrzehnte später erklärt. Ganz kostenlos habe er die Uhren nicht abgeben wollen, so Sinn. Auch heute noch, längst unter der Ägide von Lothar Schmidt, gibt es die Sinn 140. Der optische Zwilling der damaligen Spacelab-Missionsuhr wurde umfassend weiterentwickelt und verwendet mittlerweile ein eigenes Uhrwerk, das Kaliber SZ01, auf der Basis des erprobten ETA 7750. Ganz wie das legendäre Lemania 5100 verfügt das SZ01 über einen Minutenstoppzeiger aus dem Zentrum. Heute ist das perlgestrahlte Edelstahlgehäuse mit der Tegiment-Technologie oberflächengehärtet, während die Ar-Trockenhaltetechnik das Innere der Uhr vor Feuchtigkeit schützt.

Reinhard Furrer 1985 auf dem offiziellen NASA-Foto mit seiner Sinn 140. © NASA

Beim Erwerb einer historischen 140 muss man mit Einstiegspreisen ab 2.000 Euro rechnen, plus mögliche Kosten einer Vollrevision bei Sinn. Hier wird allerdings ganze Arbeit geleistet – alleine die Gehäuseaufarbeitung mit eigenen Strahlkabinen ist Kunst an der Armbanduhr. Eine nagelneue 140 schlägt mit 3.750 Euro am Lederband oder 3.980 Euro am Massivband zu Buche.

Lothar Schmidt ist seit 1994 bis heute Inhaber und Geschäftsführer von Sinn Spezialuhren zu Frankfurt/Main. Dem Standort ist das Unternehmen treu geblieben, ebenso dem Motto, hochwertige Qualität zu guten Preisen zu fertigen. Schmidt hatte sich vorher in den Diensten der IWC einen Namen gemacht . Klug übernahm er Klassiker aus der Kollektion, wozu auch die Sinn 144 zählt. Bis heute ist die Uhr ein zeitloser Klassiker der instrumentellen Chronographen. Gebrauchte Modelle des Valjoux 7750-Chronographen im Rennsport-Dress sind kaum unter 1.500 Euro zu bekommen – dieses Modell zählt zu den wertstabilsten, die es gibt. Für 1.790 Euro gibt es die 144 auch nagelneu – auf Wunsch auch mit Extras wie der Ar-Trockenhaltetechnik, die allerdings Aufpreis kostet.

Sinn 144 am Stahlband. © Sinn Spezialuhren

Auch Einsteigermodelle ergänzen die Kollektion, darunter die Sinn 556. Diese Dreizeigeruhr mit ETA 2824-2 verkörpert alle Sinn-Werte: Wasserdicht bis 200 Meter, robust, perfekt ablesbar und präzise, und das zu einem sehr guten Preis. 890 Euro kostet die Uhr am Lederband. In diesem Jahr ist Sinn Spezialuhren von Rödelheim nach Sossenheim in ein komplett neues Gebäude gezogen. Das alte Gebäude platzte schon lange aus allen Nähten – neue Mitarbeiter bekamen nicht selten zunächst einen Platz in einer Ecke des Archivs.

Ebenso stabil sind die Einsatzzeitmesser (EZM) von Sinn, und das nicht nur im Wert. Der EZM 1, im Jahr 1997 als erster Einsatzzeitmesser für die Spezialeinheiten der deutschen Bundespolizei und des deutschen Zolls entwickelt, ist eine professionelle Uhr für den harten Einsatz. In diesem Jahr feiert der Einsatzzeitmesser 20-jähriges Jubiläum, zum Einsatzzweck der mehr als 20 verschiedenen Modelle zählen Flug-, Tauch-, Feuer- und Notfalleinsätze ebenso wie Antiterror-Aktionen der deutschen Bundespolizei oder Spezialeinheiten der Bundeswehr wie der GSG 9 oder des Kommando Spezialkräfte der Marine (KSM).

Das Sinn-Jubiläumsmodell EZM 1.1: Zur Erinnerung an den ersten Einsatzzeitmesser. © Sinn Spezialuhren

Klassiker müssen also nicht unbedingt in den einsamen Tälern der Schweizer Alpen geboren werden. Auch das oft „Mainhattan“ genannte Frankfurt bringt seit 1961 immer wieder Uhren hervor, die damals wie heute besondere Qualität und einen bezahlbaren Preis verbinden. Mit den neuen Räumen, die auch wie bisher einen großen Verkaufsraum mit dem kompletten Sinn-Angebot enthalten, bietet sich ab sofort eine neue Anlaufstelle für Liebhaber instrumenteller Uhren. Und wie sich zeigt: Eine Sinn behält ihren Wert. In Zeiten niedriger Zinsen ist auch das nicht zu verachten.

Kältetest eines EZM bei Sinn. © Sinn Spezialuhren

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1 Kommentar

  1. Sinn ist für mich der Inbegriff einer Uhrenmarke mit hochtechnologischem Hintergrund. Ich habe drei Modelle, die älteste Uhr ist 25 Jahre alt und arbeitet einwandfrei. Jederzeit würde ich drei Sinn-Uhren einer Rolex vorziehen.

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