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Test: Vintage-Uhr von Tchibo – Kalter Kaffee?

Uhren haben im Weihnachtsgeschäft von Deutschlands größtem Kaffeeröster Tchibo eine lange Tradition. Neben Modellen asiatischer Herkunft bereichert auch eine Uhr mit einem historischen, bereits seit langem nicht mehr gebauten Vintage-Uhrwerk die Kollektion. Die Kernwerte lesen sich gut: Ein Gehäuse aus Edelstahl, Saphir-Deckglas, wasserdicht bis 50 Meter, Handaufzugwerk aus alter Fertigung mit Datum und kleiner Sekundenanzeige. Der Boden ist verschraubt und erlaubt durch eine Glaseinlage den Blick auf das FHF 362. Ein guter Grund, die Uhr Online hier zu bestellen und einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

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Zum Verschenken oder selbst Beschenken: Die Tempo D’Oro hat einiges zu bieten. ©Thomas Gronenthal

FHF steht für die Fabrique d’Horlogerie de Fontainemelon (FHF), ein Schweizer Hersteller von Uhrwerken, der bis Anfang der 1980er Jahre aktiv war. Gegründet wurde das Unternehmen bereits 1793, FHF gehört damit zu den traditionsreichen Herstellern der Schweiz. Das Kaliber 362 stammt aus den 60er Jahren, ist mit einer Stoßsicherung und 17 funktionalen Rubinlagersteinen ausgestattet. Technisch ist es damit auf der Höhe der Zeit – bis auf die Einstellung des Datums. Mangels einer Schnellverstellung muss der Uhrenbesitzer bei einer Korrektur des Datums zwischen 21 und 0 Uhr wechseln, um den Datumssprung zu erzeugen. Das Werk selber ist mit einem Hammerschlag-Muster versehen, was damals durchaus üblich war. Das Gehäuse trägt rund um den Boden einen schönen Perlschliff, der einen zusätzlichen Akzent setzt. Unverständlich ist, warum Tchibo seine komplette Postadresse hat in den Boden gravieren lassen. Das hätte nicht sein müssen – zumal man zum Lesen eine Lupe braucht.

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Tatsächlich die erste Testuhr meines Lebens, die eine vollständige Adressangabe auf dem Gehäuseboden zu verzeichnen hat. Optisch ansprechend und ungewöhnlich ist die Perlierung rund um den Gehäuseboden. ©Thomas Gronenthal

Auf der Zeitwaage läuft das Uhrwerk sehr genau. Die Amplitude ist hoch – mehr als 290 Grad bei Vollaufzug, die Abweichung in keiner Lage mehr als + 7 Sekunden/24 Stunden. Das kann kein aktuelles Schweizer Werk besser! Auch am Arm ist das Gangverhalten der zum Test angeschafften Uhr einwandfrei. Die Krone lässt sich sehr gut bedienen, und das morgendliche Ritual des Aufziehens macht Freude. Das Uhrwerk ist zudem mit einem Werkhaltering aus Metall im Gehäuse befestigt – ein Zeichen für Hochwertigkeit der Verarbeitung. Das Saphirglas wölbt sich über dem Zifferblatt, das eine Prägung in Wellenform trägt. Die Indexe sind aufgesetzt, die kleine Sekunde ist mit einem kreisförmigen Schliff versehen. Die Ablesbarkeit ist aufgrund der geringen Kontraste nicht optimal, unter normalen Lichtverhältnissen jedoch absolut ausreichend. Das Wellenmuster verleiht dem Zifferblatt schöne Lichtreflexe.

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Die Krone ist perfekt zu bedienen – ein wichtiges Kriterium für den täglichen Handaufzug. ©Thomas Gronenthal

Die gesamte Verarbeitung ist auf einem sehr guten Niveau. Selbst das Lederband ist hochwertig, chromfrei gegerbt sowie weich und biegsam, abgesteppt und mit einer massiven Dornschließe aus Edelstahl versehen. Die Größe ist gut tragbar und einer Uhr mit historischem Werk angemessen – 38 Millimeter sind sogar durchaus auch für Damen mit Lust an einer großen Uhr möglich.

Ach ja – der Preis: Tchibo ruft 299 Euro für die Uhr auf. In Anbetracht der Ausstattung und des sehr seltenen Uhrwerks, das seit langem nicht mehr hergestellt wird und nur in geringen Restbeständen überlebt hat, ist dieser Preis ein Schnäppchen. Sicher nicht billig – aber auf jeden Fall preiswert und damit eine klare Kaufempfehlung!

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Eine durchaus hochwertige Uhr – und das mit inneren Werten für einen Preis, der üblicherweise höchstens für den Erwerb einer Modeuhr der gängigen Labels ausreicht. ©Thomas Gronenthal

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8 Kommentare

  1. sie sprechen von FHF 82, bei Tchibo wird aber von FHF 362 gesprochen. Ist das das gleiche Uhrwerk?

    1. Mein Irrtum – die beiden Werke sind sich sehr ähnlich, das Layout des 82 ist fast baugleich. Es verfügt aber nicht über eine Stoßsicherung wie das Kaliber 362. Das ist auch unzweifelhaft in der Uhr verbaut.

  2. Danke für die Antwort. Noch eine Frage, ist die Ausage 60er Jahre dann auch für das Kaliber 362 gültig?

    1. Das Werk wurde Mitte/Ende der 1960er entwickelt und bis in die 1970er gebaut.

  3. Bei meiner Uhr ist die Abweichung -15Sek pro Tag. Ist das noch im Rahmen oder soll ich reklamieren?

    1. Minus 15 Sekunden am Tag sind im Rahmen, aber ohne Probleme kann das verbessert werden. Eine mechanische Uhr richtet ihren Gang auch ein wenig nach dem Träger aus, nach dem Bewegungsprofil z.B.
      Statt einer Reklamation mit Versand an ein unbekanntes Servicecenter würde ich einen Besuch bei einem lokalen, im besten Fall bereits bekannten, Uhrmacher vorziehen. Die Kosten für eine Regulierung dürften bei ca. zehn Euro, der Zeitaufwand sollte bei wenigen Minuten liegen.

  4. Sehr geehrter Herr Gronenthal,

    ich habe mir zu Weihnachten auch eine Uhr von Tchibo mit der Marke Tempo D’Oro geschenkt, die eine Ähnlichkeit mit einer Rolex hat.
    Ich möchte mir dazu einen Uhrenbeweger konstruieren, weiß aber nicht, welche Eigenschaften er für diese Uhr haben muss.
    Können Sie mir helfen?
    Herzlichen Dank für eine Antwort.

    1. Das Uhrwerk zieht in beide Richtungen auf, das Prinzip ist ähnlich wie bei Seiko mit dem „Magic Lever“. Wenn Sie sich einen Beweger bauen, dann soll er nicht zu schnell drehen. Wenn die Zugfeder gespannt ist, beginnt der Schleppzaum zu rutschen und reibt an der Federhauswand. Die Gefahr ist enormer Verschleiss. Aus meiner Sicht erfordert die Uhr keinen Beweger, ein gelegentlicher Handaufzug reicht völlig.

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