Neues aus der UhrenweltReview & Test

Uhr verkaufen: Chronext im Test

Fast jeder wünscht sich manchmal eine neue Liebe – am Handgelenk natürlich. Sofern man nicht familiäre Bande mit den Rockefellers pflegt, wird für den Neuzugang wohl eine alte Bekannte gehen müssen. Für den Verkauf bieten sich einige Plattformen – angefangen von eBay, Chrono24 oder das Auktionshaus Antiquorum. Massiv in Werbung investiert Chronext, ein Startup aus Köln. Geworben wird mit einem Prozess, der „Schnell und sicher mit Service und Garantie“ zum Erfolg führt. Das wollte ich doch direkt selber testen!

Verkaufs-Kandidat IWC Ingenieur in frisch überholtem Zustand. @ Thomas Gronenthal

Chronext, von Uhrenliebhabern gegründet, kauft Uhren an, sorgt für einen Unterhalts-und Reinigungs-Service an den Modellen und verkauft sie wieder über den eigenen Marktplatz. Wer seine Uhr an Chronext verkaufen möchte, kann die Informationen zu dem Zeitmesser mit einigen Bildern zunächst über ein Online-Formular eingeben. Danach erfolgt ein Angebot per E-Mail, das einen Kommissions-Preis und einen Preis zum sofortigen Verkauf an Chronext nennt. Ist der Verkäufer einverstanden, wird die Uhr über einen Versanddienstleister beim Verkäufer abgeholt und bei Chronext auf Echtheit und Zustand überprüft. Im Anschluss wird der Betrag überwiesen, der Deal ist gemacht.

Chronext verfügt über eigene Uhrmacher, die sich um die Aufbereitung der Uhren kümmern und auch die Echtheitskontrolle vornehmen.

Auch Schließe und Band präsentieren sich in frischem und straffem Zustand – sämtliche Bildern wurden über die Verkaufsmaske auch hochgeladen. © Thomas Gronenthal

Für den Selbsttest griff ich auf einen Vertreter aus meiner Sammlung zurück, der unter Vintage fällt, aber auch sehr selten ist: Die IWC Ingenieur 500.000 A/m, eines der raren Modelle von IWC. Weniger als 2.000 Stück wurden von dieser speziellen, extrem gegen Magnetfelder geschützten Uhr, zwischen 1989 und 1993 gebaut. Meine Uhr ist komplett überholt, optisch nahezu ungetragen, und bekam bei einem Service kürzlich durch IWC ein neues Zifferblatt aus altem Lagerbestand, neue Zeiger, einen kompletten Dichtsatz und selbstverständlich eine neue Krone sowie ein weiteres Armbandglied. Der Ersatz des Zifferblatts und der Zeiger waren aufgrund der bröselnden Tritium-Leuchtmasse nötig geworden.

Das Armband mit der verdeckten Faltschließe. © Thomas Gronenthal

Das erste Versprechen – nämlich ein Angebot innerhalb von 48 Stunden – kommt nicht zustande. Es dauert doch drei Tage, ehe eine Reaktion erfolgt. Und diese fällt überraschend aus. Für die Uhr, die weder einen Service braucht, noch deutliche Tragespuren hat (das war auf den Bildern ersichtlich), wurde ein Kommissions-Verkaufspreis von 2.750 Euro angegeben. Das entspricht tatsächlich einem fairen Marktpreis.

Auf dem Fuße folgt das Angebot, bei einem direkten Verkauf an Chronext einen Preis von 850 Euro zu erhalten.

Das macht eine Differenz von satten 70 Prozent Abzug zum Kommissionspreis – also dem ermittelten erzielbaren Marktpreis. Das ist ein starkes Stück – selbst wenn zu bedenken ist, das die Uhr aktuell nicht zu den begehrtesten Modellen der Sammlerwelt gehört. Allerdings wurde über das Online-Formular angegeben, das kürzlich erst der große Service war – damit also keine wesentlichen Investitionen fällig wären, um die Uhr weiter zu handeln. Mein ganz persönliches Fazit: Jeder Gebrauchtuhrenhändler in meiner Umgebung hat mehr geboten als Chronext, und das sogar bar in meine Hand. Die Spanne der freiwilligen Erstgebote ohne Handeln reichte von 1.100 Euro (Frankfurt) bis zu 1.500 Euro (Wiesbadener Aufkäufer). Insofern muss die Not mindestens ebenso groß sein wie die Bequemlichkeit. Bei einer begehrten Rolex mag das bereits ganz anders aussehen, aber unter dem Strich war ich von diesem Angebot nur eines: enttäuscht.

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4 Kommentare

  1. Top Beitrag und super Test!
    Weiter so 😉

  2. Selbst die gebotenen 1.500 EUR von dem Händler in Wiesbaden sind ein Treppenwitz. Man stelle dem gegenüber, was die Uhr einmal neu gekostet hat und ähnliche Modelle heute kosten. Ich besitze selbst so ein Exemplar, ungetragen in Neuzustand. Die mechanische Uhr als Wertanlage? Da kommen doch ganz ganz viele Zweifel auf.

  3. So ist das, im Handel liegt der Segen

  4. Ich habe bei Chronext eine Uhr gekauft. Angeblich war diese überholt vom eigenen Uhrmacher, und in bestem Zustand. Zur Sicherheit habe ich die Uhr nach einigen Wochen Tragezeit von meinem Uhrmacher prüfen lassen. Außer der Hemmung war nichts geschmiert oder überholt worden. Die Lagerstellen waren trocken, ebenso die Zugfeder. Und optisch war die Uhr schnell poliert worden, ohne viel Liebe zum Detail.
    Dafür war der Preis nicht sonderlich günstig. Hier wird also nach einer klassischen Maxime der Kaufleute gehandelt: Jeden Tag steht ein Dummer auf.

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