Neues aus der Uhrenwelt

Warum nicht Basel?

Stell Dir vor, es ist Baselworld, und keiner geht hin. Tatsächlich trifft das in diesem Jahr auf mich zu – zum ersten Mal seit Jahren. Wer die Messe kennt, weiß auch um ihre Besonderheiten. Eine Branche schwelgt in sich selber und lobt neue Produkte und Innovationen. Blogger, Journalisten und Endverbraucher stürzen sich auf neue Keramikfarben, Gehäuseformen und Uhrwerke, die fast alles können – außer Kaffee kochen. Auch mit halber Größe wird die Messe diesen „Charme“ nicht verlieren.

Dennoch kann es aus meiner Sicht kaum darüber hinwegtäuschen, wie einseitig sich die Uhrenbranche entwickelt hat in den letzten Jahren. Kleine Brands mit interessanten Uhren gehen wie meist unter oder machen Hausparties, während die Mega-Brands die übliche Show inklusive der Abendevents abhalten. Für den jährlichen Messeauftritt muss eine alte Oma lange stricken, und manche Uhr muss dafür an den Mann und die Frau gebracht werden.

Nein – das muss also in diesem Jahr nicht sein für mich. Zumal Instagram und Facebook und alle anderen Wissensquellen des WWW seit Öffnung der heiligen Hallen in Basel voll sind mit dem, was die Hersteller präsentieren. Dann heißt es „Zum allerersten Mal wird die Lünette mit zweifarbiger 24-Stunden-Cerachrom-Zahlenscheibe aus roter und blauer Keramik an einem Modell in Edelstahl Oystersteel mit Jubilé-Band vorgestellt.“ Aha – Rolex zeigt also die GMT-Master mit Pepsi-Lünette in Keramik.

© Rolex

Na, eine Überraschung – nach der zweifarbig Schwarz-Blauen grenzt es an ein Wunder, das die Technik auch in Blau-Rot funktioniert! Und der Spaß ist vergleichsweise nicht einmal günstig: 8.400 Euro ruft Rolex als Preis auf. Zum Vergleich: 2012 kostete die GMT-Master II mit Keramiklünette in Schwarz 6.800 Euro.

Auszug der Rolex-Preisliste 2012.

Geteilte Designkosten sind halbe Designkosten! © Tudor

Nicht zu vergessen Tudor. Die Marke, die eigentlich in den letzten Jahren wirklich tolle Modelle auf den Markt gebracht hat, vergeht sich ebenfalls an dem Vintage-GMT-Thema. Heraus kommt eine GMT-Master mit Snowflake-Zeigern, die mit 3.700 Franken am Stahlband mit Manufakturwerk zumindest preiswert ist. Vintage ist also immer noch ein Kundenmagnet – oder?

Ach ja, Breitling. Alles neu macht der Mai, aber das schon im März. Der Navitimer mit der klassischen Rechenschieberlünette ist endlich kastriert und als Dreizeigeruhr mit Datum zu haben. Wie man den Rechenschieber nun benutzt, weiß vermutlich immer noch keiner der Fachverkäufer bei Breitling-Konzessionären, aber dank des fehlenden Chronographen kann man sich besser auf die kalkulatorische Funktion konzentrieren. Positiv ist immerhin der Durchmesser von 38 Millimetern. 3.920 Euro am Lederband kostet der Navitimer, als Uhrwerk kommt das Kaliber 17 zum Einsatz. Keine Manufaktur, sondern Stangenware wie das Selitta SW 200 oder ETA 2824-2. Bei der Spanne also ist die legendäre Breitling-Party schnell bezahlt.

Kastraten-Navitimer mit etwas zu großer Schrift auf dem Zifferblatt. © Breitling

Zum Glück gibt es für Liebhaber von Tellerminen auch die neue Navitimer Super 8. Nach anhaltender Ideenlosigkeit widmete man sich bei Breitling den praktischen Zeitmessern, die sich Bomberbesatzungen ans Bein schnallten. Die in Titan mit grünem Zifferblatt oder in Stahl mit schwarzem Zifferblatt erhältliche Uhr misst 50 Millimeter Gehäusedurchmesser und eignet sich daher für fehlsichtige Uhrenträger ideal. Die drehbare Lünette mit rotem Dreieck als Markierung erlaubt die Vorwahl von Zeitpunkten wie der Ablauf der Parkuhr oder die Startzeit der Dschungelcamp-Liveübertragung. Schwimmen oder Notwasserungen sollten bei 30 Meter Wasserdichte dringend vermieden werden. Fast meint man den nahenden Börsengang schon zu riechen, den der hinter Breitling stehende Finanzinvestor sicher innerhalb der kommenden Jahre anstreben wird…

Sehr froh bin ich, das einige Exemplare der Marke meine Sammlung bereichern, die noch aus einer anderen Generation Breitling stammen.

Die neue kombinierte Wand- und Beinuhr von Breitling mit 50 Millimetern Durchmesser. © Breitling

Zur Freude gibt es auch Hersteller, die zeigen, das es anders geht. Sinn präsentiert die 936, ein Chronograph mit Bicompax-Anordnung, TEGIMENT-Technologie und Magnetfeldschutz. Das Zifferblatt ist perfekt abzulesen, und eine Stoppminutenanzeige mit 60-er-Einteilung auf drei Uhr macht den Chrono zu etwas besonderem. Perfekte Ablesbarkeit ist auch im Dunkeln gewährleistet, da Indizes, Stunden- und Minutenzeiger mit weißer Nachleuchtfarbe belegt sind. Zusätzlich ist die 936 druckfest bis 10 bar und unterdrucksicher. Auch Nomos zeigt gelungene Modelle mit einem neuen Uhrwerk – ein Glück, das es solche Hersteller noch gibt.

Aufgeräumt, schön, tragbar und interessant mit 60-Minuten-Zähler: Die Sinn 936. © Sinn

Es ist also Basler Messe, und ich sitze an meinem Schreibtisch. Die Sonne scheint, eine Bratwurst kostet bei der Bude um die Ecke wenige Euro und nicht 20 Franken. Ich schlafe in meinem Bett, und nicht in einem Hotel 100 Kilometer entfernt von Basel, nur das ich nicht direkt mit Goldbarren zahlen muss. Ich glaube, ich habe ein ganz gutes Ende der Messe erwischt. Und die News, die lese ich auf Instagram. Schließlich sind ja alle anderen da!

Nomos präsentiert ein neues Uhrwerk, ultraflach – und nebenbei Uhren, die den Namen auch verdienen. © Nomos

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1 Kommentar

  1. Cooler Artikel! Mal eine etwas andere Betrachtungsweise. Wir haben Basel in diesem Jahr die Treue gehalten – werden es vermutlich auch im nächsten Jahr wieder tun – haben jedoch dem noch viel elitäreren Gehabe auf dem SIHH in Genf abgeschworen. Und haben dabei – ähnlich wie Sie es beschreiben – absolut rein gar nichts vermisst. Allein die Tatsache, dass die Schweiz zwei konkurrierende Uhrenmessen im zeitlichen Abstand von 8 Wochen an zwei lediglich 2,5 Autostunden entfernten Standorten zelebriert, zeigt, dass die Branche die Zeichen der Zeit immer noch nicht erkannt und verstanden hat und vermutlich auch gar nicht will. Aber solange der Kunde das alles mitmacht, ist ja (vermeintlich) alles gut.

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