Seit ich diese Marke kenne, versuche ich, mich darüber nicht aufzuregen. Aber jetzt – nach der Ankündigung der neuen Filippo Loreti Okeanos – klappt es einfach nicht mehr. Daher hier ein paar Worte zu einer Marke, die keine sein sollte.
Ich mag Microbrands – kleine Marken, die mit Mut und Einsatz an einer Zukunft in der Uhrenbranche arbeiten. Filippo Loreti hätte so einer werden können – wenn nicht der Kommerz im absoluten Fokus stehen würde. Gegründet haben Brüder Matas und Danielius Jakutis die Marke. Statt italienischem Chic steht hier eher litauisches Unternehmertalent im Fokus – beide Brüder haben an namhaften Universitäten studiert. Beeinflusst durch Unternehmerpersönlichkeiten wie den Tesla-Chef Elon Musk, sahen die beiden in einer mutigen, ehrlichen Uhrenmarke ihre Segen für die Zukunft. Und das hat sich gelohnt: Allein während der Kickstarter-Kampagne für ihre erste Kollektion brachten sie dank der 6.090 Unterstützer eine knappe Million Euro auf (926.960 Euro, um genau zu sein), und die zweite Kampagne ging in die ewigen Kickstarter-Analen ein: Mit einer Gesamtsumme 4.809.548 Euro auch kaum ein Wunder.
Die Marke und ihre Gründer locken mit dem mittlerweile mehr als angegriffenen Slogan, Luxus ohne den teuren Zwischenhandel und damit lästige Verteuerungen des Produktes anzubieten. So rechnen die beiden Jakutis-Brüder, das eine Uhr in der Herstellung 100 Euro kostet, aber beim Juwelier für 1.000 Euro verkauft wird. Um das zu verhindern, ist der Webshop von Filippo Loreti prall gefüllt. Der Name hat übrigens keinen Sinn – er soll nur italienisch genug klingen, um den Geruch von Style und Schönheit zu verbreiten.
Im Kleingedruckten der Website ist immerhin zu finden, wo die Uhren wirklich herkommen: Aus Shenzhen. Die chinesische Stadt mit 12 Millionen Einwohnern ist für ihre Industrie bekannt – und jetzt auch für Luxusuhren. Wer die Uhren von Loreti genau betrachtet, findet allerdings eine der Luxusuhr vergleichbare Rechnung zwischen Produktionskosten und Verkaufspreis, zumal die Verkaufsmasse bei der Marke immens sein dürfte. Als Rechenbeispiel dient die Venice Moonphase Silver, die normal 169 Dollar kostet, aktuell für einen reduzierten Preis von 149 Dollar angeboten wird.
Das Uhrwerk ist ein Miyota 6P00, Made in Japan, und kostet in großen Mengen ca. zehn US-Dollar. Ein Edelstahlgehäuse schlägt mit weiteren zehn Dollar zu Buche, hinzu kommt das Saphirglas mit ca. drei Dollar. Ein Lederband aus in Italien gegerbtem, aber in China genähtem Leder kostet weitere drei Dollar. Macht zusammen: 26 Dollar. Die fertige Uhr wird von OEM-Fabriken bereits für 33,60 US-Dollar angeboten, inklusive Box und Shipping. Bleiben für Filippo Loreti also unter dem Strich über 100 US-Dollar Spanne. Davon gehen noch Marketingkosten ab, die sicher immens sind – aber bei einer vorfinanzierten Summe von fast sechs Millionen Euro sollte das ein kleines Problem sein.
Die Krone des Luxus ist aber die neueste Kreation von Filippo Loreti: Die Okeanos verfügt über ein 100 Meter wasserdichtes Gehäuse im Taucherstil. Um die Kosten gering zu halten, wurde ein Miyota 2025 verbaut. Ein Uhrwerk, das nicht einmal über einen Sekundenzeiger verfügt – für eine Taucheruhr und selbst nur ein Look-a-like völlig ungeeignet, da eine laufende Sekunde zur Überwachung der Funktion während der Dekompressionsphasen nötig ist. Das Miyota 2025 kostet allerdings nur knapp drei US-Dollar – macht also die Kalkulation der Uhr attraktiver. Auch das Glas ist nur ein Mineralglas mit einer kratzfesten Beschichtung. Statt 269 USD kostet die Uhr in der Vorabphase 169 US-Dollar. Macht unter dem Strich auch eine ordentlich Gewinnsumme….
Noch verrückter ist die Skalierung, die in Fünftelsekundenschritten auf dem Zifferblatt gedruckt wurde. Ohne Sekundenzeiger, und vor allem ohne ein mechanisches Werk macht die nämlich keinen Sinn…. Wie auch immer die zahlreichen Backer diese enorme Summe investiert haben: Hinter Filippo Loreti steht keinesfalls Luxus zum kleinen Preis, sondern nur eine sehr preiswert gefertigte Uhr, die mit billigsten Komponenten in China gefertigt wird. Das ist weder Kunst, noch mutig oder ehrlich. Sondern einfach nur ein Geschäftsmodell, das dem Verbraucher ein Bild suggeriert, was nicht stimmt: Nämlich der Luxus, den eine Schweizer Markenuhr für 1.000 Euro bietet, zu einem Bruchteil zu liefern. Zwar müssen auch Schweizer Hersteller Geld verdienen, aber den Unterschied in der Qualität und Herkunft der Einzelteile kann man deutlich wahrnehmen.