Bamford, Blaken, Label Noir, Titan Black oder Project X: Das Individualisieren von Rolex- und anderen Luxusuhren ist für zahlreiche Unternehmen ein valides Geschäftsmodell geworden. Die Fans der Schweizer Nobelschmieden scheinen sich mit den Produkten zu identifizieren. Nicht nur Scheichs stehen auf den Kundenlisten, auch Normalbürger, die mehr Individualität wünschen.
Streng genommen ist ein neues Armband der erste Schritt zu einer individualisierten Armbanduhr. Eine Golduhr der Genfer Edelmarke Rolex war schon vor 40 Jahren häufig das Basismodell für ein Endprodukt mit reichem Diamant- oder anderem Steinbesatz, der nicht original von Rolex stammte. 2003 begann der Brite George Bamford mit der massenhaften Verfremdung von Armbanduhren, die meisten davon stammten ebenso von Rolex. Durch seine nun exklusive Partnerschaft mit der Luxusgruppe LVMH und deren Marken Hublot, Tag Heuer, Zenith und Bulgari veredelt er nur noch die Konzernmarken.
Mit anderen Technologien sind die Möglichkeiten zur Verfremdung und Individualisierung noch weiter gewachsen, und damit auch die Unternehmen, die diese Massnahmen anbieten. Schwarze Gehäusebeschichtungen durch DLC (Diamond like Coating), pink bedruckte Datumsscheiben, Gehäusegravuren oder skelettierte Zifferblätter sind ebenso im Angebot wie Kreationen in Kautschuk oder Keramik. Neben der optischen Individualisierung gibt es auch komplexe Umbauten, darunter eine sehr spezielle Version der Rolex Milgauss 116400.
Lücke im Programm
Das wie Rolex in Genf sitzende Unternehmen Label Noir hat auf der Basis des Rolex-Kalibers 3131 ein Tourbillonwerk geschaffen und mit dem klassischen Oystergehäuse verheiratet. Rolex selber hat in fast 120 Jahren Firmengeschichte noch kein Tourbillon angeboten, eine offensichtliche Lücke im Programm der Manufaktur mit einem Jahresausstoss von rund 800‘000 Uhren. Laut Label Noir wurden 51 Komponenten des Rolex-Kalibers 3131 entfernt, zwei Bauteile modifiziert und weitere 94 Einzelteile zugefügt. Das Ergebnis ist ein Uhrwerk mit einem kugelgelagerten, fliegenden Tourbillon, der sich pro Minute einmal dreht. Der ursprüngliche Magnetfeldschutz der Uhr dürfte damit allerdings hinfällig sein, liegen doch Unruh, Spirale und Hemmung offen sichtbar und damit auch in Reichweite von magnetischen Feldern unter dem Uhrglas.
In der Originaluhr ist das Werk komplett durch eine Schale aus amagnetischen Materialien geschützt, bestehend aus Zifferblatt und zweitem, innenliegenden Bodendeckel. Zifferblatt und Zeiger sind die der originalen Rolex, allerdings farblich angepasst und im Fall des Zifferblattes noch mit einem Ausschnitt für den Tourbillonkäfig versehen. Die Frequenz der Unruh wurde von 28.800 A/h auf 21.600 A/h reduziert. So spannend der Umbau technisch ist: Wie kann man sich einem Produkt nähern, das mit rund 125‘000 Schweizer Franken anstatt der 7450 Euro einer originalen Milgauss zu Buche schlägt? Und wo liegt der Unterschied zu einer Uhr aus Asien, auf der auch Rolex steht, aber ebenso kaum etwas mit dem Original gemeinsam hat?
Garantie erlischt
Rolex selbst sieht den ausufernden Trend zur Individualisierung offensichtlich kritisch. Für den Uhrenkäufer ist eines relevant: Mit jedem Eingriff an einer neuen Uhr von Rolex erlischt die Herstellergarantie. Das Recht zu diesem Vorgehen steht dem Hersteller zu, auch wenn nur das Gehäuse verändert wurde, nicht aber das Uhrwerk. Aus diesem Grunde nutzen manche der Tuningschmiede ältere und bereits gebrauchte Uhren, bei denen Garantie- und Gewährleistung keine Themen mehr sind. Mit der Konsequenz der Garantie- und Serviceverweigerung muss sich der Uhrenkäufer allerdings auch darauf verlassen, das seine individualisierte Uhr von Betrieben wie Label Noir oder Titan Black gewartet und repariert werden kann – und zwar jederzeit, auch Jahrzehnte nach dem Kauf. Der deutsche Anbieter Blaken beispielsweise gibt eine Garantie von fünf Jahren, um dem Käufer ein Höchstmass an Sicherheit bieten. Neben dem Basis-Service durch Reinigen und Ölen des Uhrwerks benötigen die individualisierten Uhren möglicherweise auch Ersatzteile des originalen Herstellers. Durch die wachsenden Restriktionen für Uhrenersatzteile, kann das allerdings nur schwerlich dauerhaft gewährleistet werden.
Dementsprechend nimmt Rolex das Recht in Anspruch, keinerlei Unterhaltsservice an solchen Uhren im eigenen Haus vorzunehmen, ohne den Auslieferungszustand wiederherzustellen. Dabei ist Rolex stellvertretend für alle anderen Hersteller im Recht, er kann nicht zu einer Reparatur oder Wartung eines in seinen Augen verfälschten Produktes gezwungen werden. Auch andere Hersteller folgen dieser Einstellung und lehnen solche Uhren entweder ab, oder rüsten sie zurück auf den Originalzustand. Nach der Interpretation von Rolex stellen Betriebe wie Label Noir sogar ausschliesslich Fälschungen her. Wurde nur ein einzelnes Bauteil verfremdet oder durch ein nicht originales Teil getauscht, sieht Rolex die komplette Uhr als Fälschung an und geht rigoros dagegen vor.
Erfolgreiche Klagen
Im Sommer 2018 zog Rolex USA in Arizona gegen das Unternehmen Vintage Watchmaker LLC, einem Spezialisten für Rolex-Ersatzteile, vor Gericht. Der Anbieter wurde wegen neu bedruckter oder komplett nachgefertigter Zifferblätter und dem entsprechenden Missbrauch des Rolex-Schriftzuges und Logos verklagt. Bereits 2012 klagte Rolex, ebenfalls in den USA, erfolgreich gegen den Onlinejuwelier Melrose.com. Dessen Inhaber, Krishan Agarwal, nutzte ältere und gebrauchte Rolex-Modelle als Basis für Umbauten.
Neben neu bedruckten Zifferblättern kamen auch nachgebaute Gehäuse und Armbänder zum Einsatz. Melrose wurde zu einer Zahlung von 8,5 Millionen Dollar Schadenersatz an Rolex verurteilt. Sämtliche noch zum Umbau bereitliegende Uhren mussten an Rolex abgegeben werden. Und auch im Fall der zahlreichen Customizer aktueller Rolex-Modelle wurde bereits vereinzelt die Tätigkeit von durch Rolex beauftragten Anwälten gemeldet. Dennoch wächst der Markt der Unternehmen, die individualisierte Luxusuhren anbieten, weiter. Mehr und mehr Uhrenträger wünschen sich laut Aussage einzelner Betriebe eine wachsende Individualität für Luxusprodukte bekannter Marken, die durch Unternehmen wie Blaken oder Bamford erfüllt werden, als Statement.
Bei Autos normal
Tatsächlich kann ein Hersteller seinen Kunden und auch anderen Unternehmen kaum verbieten, legal erworbene Produkte zu verändern. Bei Kraftfahrzeugen ist technisches Tuning und die optische Veränderung schon lange normal: „Ein Satz neuer Alufelgen auf einem Ford Mustang heisst nicht, das es kein Ford Mustang mehr ist“, verteidigte Krishan Agarwal, damaliger Inhaber des Online-Juweliers Melrose.com, sein Geschäftsgebaren. Allerdings kann ein Satz Felgen leicht wieder durch den originalen Radsatz ersetzt werden.
Die Lücke, Produkte auf Kundenwunsch zu individualisieren, ist dennoch vorhanden und bedarf auch der Erfüllung. Ein Hersteller, der 800‘000 Uhren im Jahr produziert, kann für seine Kunden kaum einzelne Sonderwünsche realisieren. Und sofern der Respekt vor dem ursprünglichen Produkt erhalten bleibt, ist Individualität keine Sünde und auch kein Verbrechen. Mit dem Risiko, dass der originale Hersteller den Kunden allerdings vom Hof schickt und zudem den Ersatzteilfluss so weit wie möglich eindämmt, muss der Besitzer einer individualisierten Luxusuhr wohl leben.