Zugegeben, diese Nachricht schlug schon ein wie eine Bombe: Die großen Marken Rolex, Tudor, Chopard, Patek Philippe und Chanel sagen Tschüss und verlassen die Messe in Basel, die sich über die Jahre als feste Bastion der Uhrenbranche etabliert hatte. Während alle anderen schon fleißig berichteten und sich als Totengräber betätigten, wollten wir noch ein wenig warten, was denn da noch weiter passieren wird. Und es passierte: Jetzt gibt auch LVMH mit den Marken Hublot, TAG Heuer und Zenith auf. Quasi eine Jean-Claude Biver-Entscheidung, dem Mastermind hinter allen drei Marken.
Ganz kann ich mich den Abgesängen nicht anschließen – die Baselworld war eine wichtige Messe, und vor allem durch die gute Erreichbarkeit aus allen Ländern passend. Zudem war die Organisation erprobt, was sich an den Journalistenservices und auch den Besucherströmen ablesen ließ. Die Bratwurst für 20 Franken wird niemand vermissen – aber sind wir mal ehrlich: Wer macht die Preise dafür? Kaum die Messe selber, was auch für die Hotels gilt. Das ein Bett in Basel zur Messezeit ein Vermögen gekostet hat liegt in der Verantwortung der Hoteliers. Zumal trotz allem das Trois Rois, erstes Haus am Platze mit dem verbleichenden Charme alter Grandhotels, immer von den CEOs ausgebucht war, ist ein offenes Geheimnis. Und wer davon ausgeht, das Genfer Hotels sich jetzt bereits vor lauter Vorfreude in Preisreduktionen üben, hat wohl noch nie rund um den Genfer See ein Hotel gebucht…. Und auch Genfer Bratwursthändler dürften sich schon freuen, demnächst völlig neues Umsatzpotential erschließen zu dürfen. Ich kann mir kaum vorstellen, das die neue Messe hier Würstchen subventionieren wird…
Als Alternative wird eine Uhrenmesse im Geneva Palexpo zeitgleich mit der Watches & Wonders Geneva, formerly known as SIHH, stattfinden. Für den Großteil der Brands eine kluge Wahl, denn sitzen doch alle in der näheren Umgebung – allen voran Rolex, Tudor und Patek Philippe. Statt teurer Hotels können sich die Marketing- und Produkt Manager also als Heimschläfer betätigen. Für die Besucher hat das indes keine positiven Auswirkungen – außer, die Familien Scheufele, Stern und Dufour bieten ab sofort Sofas auf AirBnB an…. Zumal beispielsweise Rolex noch vor wenigen Jahren ein 30 Millionen Franken-Commitment mit dem neuen Messestand für die neue Halle 1 der Baselworld einging. Jean-Frédéric Dufour, CEO von Rolex SA und Board Member Tudor SA, schreibt dazu: „Nach von Rolex initiierten Diskussionen schien es nur natürlich, eine neue Veranstaltung mit Partnern ins Leben zu rufen, die unsere Vision und unsere andauernde, unerschütterliche Unterstützung für die Schweizer Uhrenbranche teilen. Diese wird es uns ermöglichen, unsere neuen Uhren unseren Bedürfnissen und Erwartungen entsprechend zu präsentieren, unsere Kräfte zu bündeln und die Industrieinteressen der Branche besser zu verteidigen.“ Was aber sind die Industrieinteressen in einer Branche, die seit Jahren auf höchstem Niveau jammert, die Preisschrauben immer weiter anzieht und die Zeichen einer sich wandelnden Konsumwelt ebenso ignoriert wie es vielleicht eine Messegesellschaft in Basel getan hat? Das erschließt sich mir nur begrenzt.
Vielmehr scheint sich eine Zweiklassen-Gesellschaft abzuzeichnen. Die Nobelmarken, die hart um Luxus-Marktanteile kämpfen, wollen sich aus dem Sumpf der kleineren Marken, die ebenfalls auf der Baseler Messe ihr Zuhause haben, zurückziehen. Denn eines ist sicher: Für Uhrenliebhaber, die auch in Basel ein Ticket kaufen konnten, werden die beiden Genfer Events eher ein Closed Shop bleiben. Das in Basel Fehler gemacht wurden, steht außer Frage: Schon lange verstanden sich Brands und Messeleitung nicht mehr richtig. Das aktuelle Verhalten der Marken hat die Messe aber aus meiner Sicht auch nicht verdient – zumal die Zukunft der Messe Baselworld und aller, die daran gearbeitet haben, nun ungewiss ist. Vielleicht kann sich die Plattform aber auch für andere Brands etablieren. Wer sich an das vergangene Jahr erinnert, weiß um die zahlreichen Brands in den Hotels nebenan. Ob mit gemieteten Schauräumen oder nur Gespräche an den Bars: Hier trafen sich Marken und Fans. Sicher nicht die Haute Horlogerie – aber man muss sich auch die Frage stellen, wer die Haute Horlogerie braucht – und wen die wenigen Uhrenmarken der Topklasse brauchen. Einem Großteil der Interessenten, die jährlich nach Basel gepilgert sind, haben die Brands nun zumindest einen Fußtritt verpasst. Wie Fans und Branche darauf reagieren – und nicht zuletzt auch die Reaktion der Baselworld auf den Abgang von LVMH – wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Ich bin gespannt.
Thomas Gronenthal