Technik

Service: Baume et Mercier Riviera Automatic

All hands on 12: Fertig für den Zeigerabheber. © Thomas Gronenthal

Nach fünf Jahren Uhrentests, Berichten und anderen Inhalten ist es Zeit zu zeigen, dass bei Watchthusiast nicht nur geschrieben, sondern auch geschraubt wird. Das passende Objekt für eine Revision ist schnell gefunden: Eine Baume et Mercier Riviera Automatic, Referenz 3131, am selten anzutreffenden Lederband. Die Uhr ist um die 20 Jahre alt und hat in der Zeit wohl noch keinen Uhrmacher gesehen. Es ist also Zeit, das zu ändern. Ein paar Ersatzteile liegen bereit – getauscht werden auf jeden Fall die Zugfeder sowie das Klinkenrad der Automatik. Nach 20 Jahren hat sich die Zugfeder einen Ersatz verdient, und das Klinkenrad wird vorsorglich getauscht. Generell sollte bei diesem ETA-Werk darauf geachtet werden, das der automatische Aufzug in bestem Zustand ist – denn das 2892-2 gilt nicht als Wunder der Energieerzeugung. Bei Menschen mit geringem Bewegungsprofil, Stichwort Schreibtischtäter, reicht dann oftmals die Federspannung nicht mehr für den sicheren Betrieb aus.

Die dünne Folie schützt das Zifferblatt beim Abheben der Zeiger. © Thomas Gronenthal

Zunächst erfolgt eine Bestandsaufnahme des Uhrwerks – Gangwerte, Aufzug und Zeigerstellung. Die Bedienung gibt keinen Anlass zur Klage, die nicht voll abgelaufene Zugfeder zeigt aber, das der Widerstand im Räderwerk über die Jahre mit nachlassender Schmierung zugenommen hat. Auch der automatische Aufzug arbeitet nicht spielend leicht. Die Gangwerte auf der Zeitwaage sind deutlich im Plusbereich, die Amplitude liegt gut 70 Grad zu gering im Vergleich zu einem neuen ETA 2892-A2. Hier ist also – wenngleich die Uhr noch augenscheinlich zufriedenstellend arbeitet – Handlungsbedarf gegeben, um die Uhr langfristig zu erhalten.

Striptease

© Thomas Gronenthal

Nach dem Ausschalen aus dem Gehäuse werden zunächst die Zeiger abgenommen. Als Schutz für das Zifferblatt dient eine Plastikfolie, um mit dem Zeigerabheber von Bergeon keine Kratzspuren zu hinterlassen. Danach werden die beiden Klemmschrauben der Zifferblatthalterung gelöst und vorsichtig das Blatt abgenommen. Eingespannt in den Werkhalter wird dann das Uhrwerk gestrippt – bis zur letzten Schraube. Als erstes wird die Automatikeinheit, befestigt mit drei Schrauben, ausgebaut, dann die Unruh, die Räderwerksbrücke und zuletzt die Aufzugbrücke. Zifferblattseitig müssen ebenfalls alle Teile ausziehen – beginnend mit der Datumsscheibe. Alle Räder werden einer optischen Kontrolle auf Verschleiß unterzogen. Dabei zeigt sich, dass durchaus noch Öl vorhanden war – allerdings nach 20 Jahren Lagerung und Betrieb bei weitem nicht mehr so flüssig wie gewünscht und nötig.

© Thomas Gronenthal

Die abgenommene Automatikeinheit. © Thomas Gronenthal

Uhrwerk ohne Automatik und Unruh. © Thomas Gronenthal

Gestrippte Grundplatine. © Thomas Gronenthal

Ersatzteil Nr. 1: Das Wechselrad der Automatik. © Thomas Gronenthal

Sämtliche Teile werden in einem speziellen Reinigungsbad gereinigt und von alten Ölresten befreit. Vor allem im Bereich des automatischen Aufzugs ist der Einsatz eines Putzholzes sinnvoll, um verkrustete Reste zu entfernen. Öl und Abrieb haben hier Spuren hinterlassen, die im Reinigungsbad kaum zu entfernen sind.

Die Federhausbrücke – gut sichtbar die drei Räder für den Handaufzug rechts. © Thomas Gronenthal

Richtige Schmierung

Neue Zugfeder sowie die gebrauchte im Federhaus. © Thomas Gronenthal

Nach der Reinigung erfolgt der Zusammenbau in einzelnen Schritten sowie die Schmierung der einzelnen Werkteile. Die Zugfeder wird aus dem Federhaus entnommen – Achtung, die Energie in dieser Feder ist ordentlich und kann für manche Überraschung sorgen. Die neue Zugfeder wird in einem Aluminiumring von Nivarox-FAR oder Generale Ressorts geliefert. Zunächst wird das Federhaus aber gereinigt und auf Verschleiss an der Innenwand geprüft. Die Schleppfeder einer Automatik kann hier bei nachlassender Schmierung für Abrieb sorgen. Nach der Reinigung erfolgt eine Schmierung der Innenwand des Federhauses mit einem speziellen Fett, Klüber P125. Damit wird sichergestellt, das die Schleppfeder bei Vollaufzug ohne Probleme durchrutschen kann, um Schäden am Uhrwerk zu vermeiden. Die neue Zugfeder wird dann aus dem Aluring in das Federhaus gedrückt, der Federkern eingesetzt und geschmiert, und dann das Federhaus wieder verschlossen.

Die Teile finden wieder zusammen. © Thomas Gronenthal

Der perfekte Tropfen

Weitere spezielle Öle und Fette werden für den Rest des Werks nach Herstelleranleitung genutzt – darunter das dünnflüssige Möbius 9010 für die Unruhlager, Sekundenrad und Ankerrad sowie das Rotorlager. Mit Möbius D5, einem eher dicken Öl, werden die anderen Lager, der Datumsmechanismus und weitere Schmierstellen versorgt. Vor allem an der Unruh ist die richtige Dosierung des Öltropfens auf dem Deckstein wichtig: Der perfekte Tropfen ist das Ziel eines Uhrmachers, er bedeckt ca. 2/3 des Decksteins. Bei diesem Werk verzichte ich auf die Nutzung des automatischen Ölers von Bergeon, der bei eingebautem Incabloc die Ölung vornimmt. Bei einer Vollrevision wie in diesem Fall empfiehlt sich die aufwendige Methode – Incabloc öffnen, Loch- und Deckstein entnehmen, reinigen und ölen. Die Hemmung – genauer die Ausgangspalette des Ankers – wird mit Möbius 9014 versorgt. Das Hemmungsfett ist enorm wichtig, die reibungslose Funktion bestimmt die Höhe der Amplitude. Daher schmiere ich den Anker, und drehe dann das Räderwerk per Hand durch, bis das Fett verteilt ist und sich das Räderwerk spielend leicht bewegen und den Anker laufen lässt.

Auch die Zifferblattseite bekommt ihre Aufmerksamkeit. © Thomas Gronenthal

Für den Winkelhebel und Zeigerstellmechanismus kommen weitere spezielle Fette zum Einsatz, auch die Datumsscheibe wird leicht an der Verzahnung geölt und anschließend mehrfach per Schnellverstellung gedreht.

Alles wieder montiert – bis auf das Stundenrad in der Mitte. © Thomas Gronenthal

Zuletzt wird das Zifferblatt mit den Spannschrauben montiert, und die Zeiger gesetzt. Dabei ist Gefühl gefragt: Zum einen darf der Druck auf die Zeiger nicht zu groß sein, zum anderen muss auch der Datumswechsel präzise passen. Dazu drehe ich Zeit sehr langsam über den Datumssprung, um die Zeiger für Stunden und Minuten auch präzise zum Sprung zu montieren. Dann setze ich den Stundenzeiger, drehe das Zeigerwerk einen weiteren Tag bis zum Datumssprung und setze anschließend den Minutenzeiger präzise auf den richtigen Punkt passend zum mitternächtlichen Datumswechsel.

Auch das Gehäuse braucht Arbeit: Der Boden zeigt deutliche Kratzer vom Ablegen der Uhr. © Thomas Gronenthal

Zusammen, was zusammen gehört

Nach dem Zusammenbau kann das Werk in Ruhe ein wenig laufen, während das Gehäuse der Riviera eine Politur bekommt. Der Boden mit deutlichen Kratzspuren wird eingespannt, und der Kreisschliff wird aufgefrischt. Die polierten Flanken werden ebenfalls aufgefrischt, und anschließend bekommt auch das Gehäuse ein Bad. Die Dichtungen am Boden werden ersetzt, aufgrund des hervorragenden Zustands der Kronen- und Tubusabdichtung verzichte ich hier auf Neuteile. Anschließend schale ich das Werk in das Gehäuse ein, entferne dann wieder die Aufzugbrücke mit dem Rotor. Warum: Wer ein ETA 2892-2 vernünftig regulieren will, kann das nur ohne diese Brücke – denn sie verdeckt den Unruhkloben teilweise durch den Rotor. Anschließend wird die Uhr in die Zeitwaage gespannt. Die Gangwerte sind nach kurzem Eingriff hervorragend, vor allem die Amplitude: Mit 315 Grad in den Flachlagen bei Vollaufzug zeigt das Werk, zu was ein ETA in der Lage ist. Am Ende reguliere ich die Uhr auf einen leichten Vorgang von drei Sekunden am Tag, sowie einen Abfallfehler von 0,0 ms. Der Abfall bezeichnet dabei den Unterschied in Millisekunden zwischen einer Halbschwingung zur entgegengesetzten. Ist ein Uhrwerk synchron eingestellt, beträgt der Abfallfehler 0,0 ms oder sehr nah daran. Bei höherem Abfallfehler besteht bei wechselnden Lagen und damit sich veränderndem Einfluss der Schwerkraft die Gefahr von Gangschwankungen.

Die Kratzspuren sind weg, der Glanz ist wieder da. © Thomas Gronenthal

Das Gangergebnis kann sich sehen lassen. © Thomas Gronenthal

Nach der Regulierung erfolgt eine Endkontrolle auf Funktion der Zeigerstellung, Aufzug per Hand und Gang. Danach wird die Uhr verschlossen und auf Wasserdichte geprüft. Der Test auf 50 Meter wird bestanden, und damit ist die Baume et Mercier Riviera fit für ein neues Leben. Was noch fehlt: Ein neues Armband, das zu den Maßen der Baume et Mercier passt. Der Gehäuseanstoß beträgt schmale 17 Millimeter, der Schließenanstoß noch schmälere 16 Millimeter. Hier kann nur einer helfen – Cornelius Kaufmann. Mehr dazu aber in einer Extra-Geschichte!

Die Baume et Mercier ist eine Schönheit, mit frischem Glanz und frisch überholtem Herz. © Thomas Gronenthal

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1 Kommentar

  1. Schön, dass Herr Gronenthal uns detailliert seine handwerklichen Fähigkeiten zeigt.
    Seine Besprechungen von Uhren werden dadurch für mich noch authentischer.
    Vielen Dank

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