Die Tudor Black Bay gehört zu den gelungensten Würfen des Rolex-Tochterunternehmens. Auch auf dem Gebrauchtmarkt hat die Uhr einen hohen Stellenwert, zählt aber auch noch zu den Uhren, die preislich im Rahmen des Möglichen liegen.
Die vorliegende Uhr wurde von einem Uhrenhändler über einen Zwischenmann in Italien angekauft und an einen Privatmann weiterverkauft. Box, Papiere und sogar eine Rechnung einer großen deutschen Juwelierkette sowie eine passende Garantiekarte rundeten das Angebot ab – ein Kauf ohne Risiko. Scheinbar zumindest. Laut dem italienischen Händler war die Uhr 2015 in Berlin während einer Geschäftsreise durch einen Privatmann gekauft worden.
Nur einem Zufall ist es zu verdanken, das diese Uhr als komplette Fälschung aufflog. Und tatsächlich stammte das gesamte Set aus Fälscherhand – denn weder die Rechnung, noch die Garantiekarte oder die Box sind original. Allerdings täuschend echte Plagiate, die auf den ersten und auch zweiten Eindruck kaum zu enttarnen sind. Die Box mit leichten Gebrauchsspuren alleine ist bereits eine vertrauensbildende Maßnahme – denn noch sind gefälschte Luxusuhren selten in einer gefälschten Verpackung zu haben.
Das Gehäuse der Black Bay besteht aus Edelstahl in guter Verarbeitung. Auch das Zifferblatt und der Zeigersatz sind hochwertig und sehr nahe an den originalen Uhren von Tudor. Das Armband besteht aus massivem Edelstahl, die Schließe verfügt ebenso wie die originale Tudor über einen Mechanismus mit verschleißfrei arbeitenden Keramikkugeln zum Zuhalten.
Als Uhrwerk ist auch auf den ersten Blick genau das richtige verbaut: Ein ETA 2824-2, verziert mit Perlage und einem Tudor-gravierten Rotor mit Genfer Streifenschliff. Ein gebürsteter Werkhaltering aus Metall rundet die Rückansicht unter dem Stahlboden ab. Auch eine Wasserdichteprüfung besteht die Uhr ohne Probleme.
Bei näherer Betrachtung des Werkes fällt allerdings auf, dass sich winzige Details unterscheiden. Tudor modifiziert die ETA-Werke mit einer anderen Stoßsicherung sowie einer deutlich feineren Feinreguliervorrichtung. Beides fehlt bei der vorliegenden Uhr. Tatsächlich handelt es sich um ein Seagull ST 2130, ein Nachbau des nicht mehr durch Patente geschützten ETA-Werkes. Bis auf den unterschiedlichen Unruhkloben ist das Werk also baugleich, wenn auch in anderer Qualität. Das Gangergebnis indes passt zum Zifferblattaufdruck. Mit geringen Abweichungen in allen Lagen, die stets unter 5 Sekunden Vorgang bleiben, und stabil guten Amplituden liefert das Seagull-Kaliber ein Tudor-würdiges Ergebnis.
Was so nach Lobeshymne klingt, soll allerdings keine sein – sondern vielmehr eine Warnung. Mehr und mehr berichten Uhrenhändler und auch das Pfandleihgewerbe von solchen Uhren, die mit Box und Papieren bis hin zur Rechnung oder sogar einem gefälschten Kreditkartenbeleg reichen. Das macht ein vertrauensvolles Geschäft schwer, zumal ohne außerordentliche Expertise die Plagiate kaum noch zu erkennen sind. Zumal kaum nachzuvollziehen ist, an welcher Stelle in der Kette von Privatbesitzern, Händlern und Zwischenhändlern das schwarze Schaf sitzt.
Beim Ankauf einer wertigen Uhr sollte daher entweder eine vertrauenswürdige Quelle genutzt werden, oder ein kompetenter Fachmann konsultiert werden. Die Qualität der Plagiate zumindest wird von Jahr zu Jahr besser – was die Aufdeckung solcher faulen Eier noch weiter erschwert. In diesem Fall hier zumindest haben sich die Händler den Schaden geteilt und dem Käufer der Uhr das Geld erstattet. Nicht bekannt ist indes die Dunkelziffer von Uhren, die in Schaufenstern, Safes oder der Uhrenbox liegen und niemals „Swiss Made“ gewesen ist.
Unfassbar!! Wie soll das weitergehen, wenn die Fälschungen immer professioneller werden? Diese Seite https://www.solidswiss.cd/ auf der ganz offiziell hochwertige Rolex Clones zu einem Bruchteil des normalen Kaufpreises angeboten werden, lässt tief blicken. Wo bleibt die Reaktion der Branche? Wie wird der Kunde künftig wirksam und überzeugend vor solchen Plagiaten geschützt? Der Verweis auf irgendeinen Fachmann, der in der Lage sein soll, Original von Fälschung zu unterscheiden, genügt längst nicht mehr! Hier bedarf es ganz anderer Vorgehensweisen.
Solidswiss ist allerdings bekannt und eine Betrügerseite. Geliefert werden hier eben nicht die hochwertigen Plagiate, sondern die übliche “Strandware” – wenn überhaupt eine Lieferung erfolgt. Es gibt aber andere Shops im Web – siehe Puretime oder InTime – bei denen die aktuellen Hochpreis-Fälschungen alle zu haben sind.
Bei zahlreichen Shops steht das Scammen – also Geld kassieren ohne Gegenleistung – im Vordergrund. Wer geht schon zur Polizei, um eine gefälschte Markenuhr einzufordern. In einschlägigen Internetforen werden die guten Lieferanten ebenso besprochen wie bewertet – die Replica-Community ist also immer “up to date” bei dem Thema.
Schon interessant , wenn selbst der Händler die Fälschung nicht mehr erkennt, warum soll ich dann viel Geld fürs Original ausgeben?
Beim bewussten Fälschungskauf weiß ich wenigstens was ich habe……
Sehr berechtigte Frage, Dr. Who.
Fälschungen hier weiterleiten
https://www.fhs.swiss/eng/report-abuse.html
Abend!
Sollte aber nicht gleich den Fachmann auffallen, dass zb. das Schriftzug auf dem Rotor anders ist und nicht so präzise positioniert ist wie beim oreginal?
Das würde mir persönlich zu erst auffallen, oder?
“Sollte” – darin steckt bereits die gesamte Antwort auf die Frage. In der Tat fällt es zunehmend nicht auf, und solche Fehler werden auch zunehmend ausgemerzt. Insofern wird es für die Fachleute – die realen und solche, die sich für welche halten – immer schwerer. Und wer öffnet schon die Uhren beim Ankauf, wenn es sich um ein Set mit Box und Papieren handelt? Gerade auf einer Uhrenbörse und den dort herrschenden staubigen Bedingungen stelle ich mir das lustig vor…