Erst seit 2015 leitet Raphaël Granito die Schweizer Uhrenmarke Formex. Schnell wurde aber klar, das ein neuer Kurs eingeschlagen wurde, zu dem auch neue Vertriebswege gehören. So ist der stationäre Einzelhandel nicht mehr involviert, Uhren Formex gibt es ausschließlich im Internet, direkt vom Hersteller. Ein 30-tägiges Rückgaberecht, Versand innerhalb von 1 bis 2 Tagen mit UPS, und die Verrechnung der Zollabgaben machen den Einkauf leicht und bequem. Die Uhr kommt direkt nach Hause, keine Wartezeit durch eine Zollabfertigung entsteht.
Mit einer Try-On-App können Kaufinteressenten die Uhrenmodelle virtuell per Smartphone anprobieren – eine preisgekrönte Entwicklung. Granito selber entstammt einer Familie, die seit langem in unterschiedlichen Bereichen der Uhrenbranche aktiv ist. Sein Vater gründete vor 30 Jahren die Dexel S.A., die für hochwertige Innovationen bei Uhrenkomponenten steht und bekannteste Marken mit Teilen beliefert. In einem Gespräch möchte ich wissen, wie der innovative CEO die Entwicklungen in der Uhrenbranche generell sieht – und was von Formex noch alles zu erwarten ist.
Watchthusiast: In den letzten Wochen kamen einige Meldungen, die in der Uhrenbranche keine Begeisterung ausgelöst haben: Fortis steckt in finanziellen Schwierigkeiten, die Baselworld schrumpft um 50 Prozent, die Regale liegen voll bei vielen Herstellern. Wie sehen Sie die Stimmung aktuell in der Schweizer Uhrenindustrie?
Raphaël Granito: Es kommt natürlich immer darauf an, wen man fragt. Es gibt nach wie vor Uhrenmarken, die auch 2017 ein starkes Wachstum verzeichnet haben und bei denen die Produktion kaum mit der Nachfrage schritthalten kann. Generell sehe ich die Industrie in einem Wandel, der unter anderem der Digitalisierung zuzuschreiben ist. Die Leute sind heute viel besser informiert und dadurch nicht zuletzt auch viel preissensibler. Wenn jemand eine Uhr kaufen will, für diese aber im Internet oder bei einem anderen Händler 5 Prozent weniger bezahlt, dann wird diese Person sicherlich den besseren Deal wahrnehmen. Juweliere leiden zunehmend unter dieser Tatsache.
Den Einbruch bei der Baselworld hat sicherlich auch mit den hohen Kosten, die mit einer Teilnahme verbunden sind, zu tun. Heute ist es durch die Technologie für eine Verkaufsabteilung nicht schwierig, täglich mit ihren Vertriebspartnern in Kontakt zu stehen und sie sind weniger darauf angewiesen die Leute in Person zu treffen. Die Baselworld hat natürlich auch mit Prestige zu tun und viele kleinere Marken können einfach nicht mit den Budgets den großen Gruppen mithalten.
Die Konsolidierung, von Marken und die vertikale Integration die die großen Gruppen vermehrt anstreben, ist meiner Ansicht nach auch ein Grund dafür, das viele kleinere, unabhängige Marken immer mehr Mühe haben sich im Vertrieb und im Marketing zu behaupten.
Sie haben Formex gründlich umgekrempelt. Wie fiel die Entscheidung für diese Marke?
Ich war nicht aktiv auf der Suche nach einer Uhrenmarke, die ich kaufen wollte. Der Kauf ist eher glücklichen Umständen zu verdanken. Ich war damals noch im Unternehmen meines Vaters, Dexel, tätig. Dexel entwickelt und produziert hauptsächlich Gehäuse und ausgeklügelte Schließen-Systeme für unterschiedliche High-End Uhrenmarken. Ich war in der Produkteentwicklung für fertige Uhren tätig, als vom damaligen Besitzer und Gründer von Formex, mit dem wir schon seit vielen Jahren zusammengearbeitet hatten, ein Angebot unterbreitet wurde.
Nach gründlichen Analysen haben wir uns entschieden, den Schritt zu wagen, obwohl das Klima in der Industrie damals alles andere als optimistisch war. Formex wurde von uns Privat gekauft und ist rechtlich nicht mit Dexel verbunden, profitiert aber von der großen Erfahrung und vom Netzwerk, dass sich die Firma meines Vaters über mehr als 30 Jahre in der Entwicklung und Produktion von High-Tech Gehäusen aufgebaut hat.
Was haben Sie bei Ihrem Einstieg in die Marke und das Unternehmen vorgefunden?
Was wir schon vor dem Kauf erkannten, war das große Potential der Marke, dass hauptsächlich in den Produkten steckt. Geschäftlich stand es um die Marke nicht sehr gut, da einfach zu wenig Personal zur Verfügung stand und auch zu wenig Kapital um Formex im Marketing vorwärts zu bringen. Uhren sind heutzutage nicht mehr wirklich Gebrauchsgegenstände, da wir überall die Zeit ablesen können. Ein Kunde kauft heute eine Uhr wegen der Emotionen die diese vermittelt, wegen des Designs und der Technik die dahintersteckt. Er will an der Marke teilhaben und ein Stück von dem, was wir darstellen, an sich tragen.
Diese Werte und Emotionen zu vermitteln, geht leider nicht nur über ein qualitativ hochwertiges Produkt. Man muss diese durch kluge Marketingstrategien an die potentiellen Kunden kommunizieren, was natürlich, gerade in einem sehr kompetitiven und gesättigten Markt wie unserem, sehr kostenintensiv sein kann.
Es braucht auch seine Zeit bis eine Marke bekannt und in der Branche etabliert ist.
Sie verzichten bewusst auf den Handel und verkaufen online direkt. Wie sehen Sie die Zukunft des klassischen Retails im Uhrenhandel?
Wir sehen schon seit einigen Jahren, dass es unumgänglich auf ein Multichannel-Modell für die großen Marken hinausläuft. D.h. sie setzen vermehrt auf das Internet, um Märkte und Regionen zu erschließen, bei denen es geografisch keinen Sinn macht sie über den klassischen Handel zu erschließen. Zudem wird auch zunehmend auf Mono-Brand Boutiquen gesetzt, was für den klassischen, unabhängigen Juwelier auch eine Herausforderung darstellt. Die einzelnen kleinen und unabhängigen Juweliere sind und bleiben entweder absatzstark genug um für eine Marke interessant zu bleiben, bandeln mit großen Marken zur Mono-Brand Boutique an, arbeiten exklusiv für eine Gruppe oder werden nach und nach verschwinden. Ich spreche hier nicht von den nächsten 3 Jahren aber ich denke, dass dies längerfristig eintreffen wird.
Die Try-On App gibt immerhin die Möglichkeit, eine Uhr virtuell anzulegen. Was sagen Ihre potentiellen Kunden dazu?
Die App ist ein Riesenerfolg. Die Kunden können dank ihr die Uhren live anprobieren und ein Gefühl für unsere Modelle in Echtgröße an ihrem eigenen Handgelenk erhalten. Sie können sie drehen und von allen Seiten anschauen. Wir nutzen mit der App neuste Augmented Reality Technologie und setzen sie nicht als Gadget, sondern als Erweiterung unserer Produktepräsentation mit Bildern ein. Es ist ein Paradebeispiel wie diese Technologie die Weiterentwicklung des E-Commerce unterstützt. Zudem haben wir einen Instagram Live Feed auf unserer Seite, der alle Bilder auf unserem Account auf die Formex Homepage speist und automatisch mit den Produkteinformationen verlinkt. Dies erlaubt es uns, die verschiedenen Modelle nicht nur mit Produktefotos sondern auch in Alltagssituationen zu zeigen. So erhält man ein lebensnahes Bild von unseren Uhren.
App, Webshop – welchen Shift kann die Digitalisierung in der Uhrenbranche noch erzeugen?
Während sich das Digitale sehr flüssig und rasant weiterentwickelt, stockt es bei der Logistik des E-Commerce verständlicherweise etwas mehr. Ich meine damit was passiert, nachdem ein Onlinekauf getätigt wurde und es darum geht, die Bestellung zu liefern. Vereinzelt können Produkte schon heute mit Same-Day Zustellung angeboten werden, aber bei grenzübergreifendem Handel ist dies noch nicht vorstellbar. Amazon und Co experimentieren mit Drohnen- und Roboterlieferungen, was noch einige Jahre dauern dürfte, ehe es massenfähige Marktreife erreicht. Ich sehe bei den Kurierdiensten und bei der Zollabfertigung noch großes Potential um mit der stark zunehmenden Nachfrage im E-Commerce mitzuhalten.
Beim Kunden führt die Globale Preis-Tranzparenz und die sekundenschnelle Verfügbarkeit von Daten zu besser informierten Konsumenten, die sich auch Zeit nehmen um Produkte zu vergleichen und den besten Ort für einen Einkauf zu recherchieren. Für uns ist dies natürlich ein Vorteil, da wir die einzigen sind, die unsere Produkte verkaufen und dies dazu führt, dass man sie nirgends günstiger erstehen kann.
Smartwatches wurden lange gehypt, die Apple Watch gar als Wettbewerb zum Schweizer Chronometer gefeiert. Was ist noch übrig vom Hype aus Ihrer Sicht?
Ich hatte nie erwartet, dass die Smartwatch eine mechanische Uhr ersetzen wird, da es bei Uhren wie gesagt nicht mehr in erster Linie um das Ablesen der Zeit geht. Im tieferen Preissegment ist es schon so, das Smartwatches einen großen Teil des Kuchens ausmachen und auch technisch immer eigenständiger und besser werden. Ich sehe die Smartwatches als Chance für die ganze Industrie, da die jüngeren Generationen dank ihnen überhaupt wieder eine Uhr am Handgelenk tragen. Ich erwarte, dass dies an einem späteren Zeitpunkt ihres Lebens auch dazu führen kann, dass sie sich für mechanische Uhren interessieren.
Die Element ist eine sehr hochwertige Uhr, viele Komponenten wie Schließe, Gehäuse und Zifferblatt zeigen Qualität, die in der Preisklasse sonst kaum zu finden ist. Ist die Formex Element am Ende sogar zu günstig?
Unser Ziel war es bei der Umsetzung des Online-Konzepts, eben dieses Preis-/Leistungsverhältnis zu erreichen. Im Preissegment der Element herrscht große Konkurrenz. Würden wir diese Uhr über den klassischen Weg vertreiben, würde sie mehr als das Doppelte kosten. Wir müssten also ungefähr 3.300 Euro anstatt 1.450 Euro für die Element verlangen. In diesem Segment hat der Kunde schon eine sehr große Auswahl an qualitativ hochwertigen Uhren von anderen, bekannteren Marken. Wir haben uns entschieden, alles was wir durch die Online-Strategie einsparen, an den Kunden weiterzugeben. Dies und unsere langjährige Erfahrung in der Herstellung von hochwertigen Komponenten führt dazu, dass man kaum glauben kann, wieviel Uhr man bei uns für das bezahlte Geld erhält. Mir bereitet es Freude, eine solche High-End Uhr zu einem erschwinglichen Preis anbieten zu können und der Erfolg der Element bestätig bisher unsere Strategie.
Das Jahr 2018 – was ist von Formex an weiteren Neuheiten zu erwarten?
Wir werden weiterhin an sehr hochwertigen Uhren arbeiten und die Kollektion verbreitern, um die Formex-Gene beispielsweise auch in etwas kleineren Modellen zu verarbeiten. Vielen Leuten gefallen unsere Produkte sehr, sie können allerdings keine 46mm Uhren tragen, weil sie ein zu kleines Handgelenk haben. Es sind auch sehr spannende Erweiterungen der Element-Familie zu erwarten und wir arbeiten fleißig daran, unsere Kunden mit innovativen Zeitmessern zu überraschen. Das Motto bleibt weiterhin sportlich, modern, hochwertig und erschwinglich!
Herzlichen Dank für das Gespräch – wir von Watchthusiast wünschen Formex alles Gute und weiterhin Erfolg!
Er spricht zum Schluss genau das an was Formex für mich als Käufer bisher so uninteressant gemacht hat – die Größe. Würde mich sehr freuen Modelle mit einem Durchmesser von 38-42mm bei denen sehen zu können.