Dass Rolex die weltweite Führungsrolle bei gefälschten Markenuhren innehat, ist schon lange bekannt. Kaum ein anderer Hersteller hat diesen Nimbus, und entsprechend legen sich die Fälscher massiv ins Zeug, die Uhren bis ins kleinste Detail nachzubauen. Seit einigen Jahren bereits ist ein passabler Nachbau des Rolex-Dreizeigerwerks 3135 auf dem Markt, der in der Funktion dem Original entspricht und auch testweise gute Gangwerte zeigt.
Gescheitert sind die Produktfälscher aber bisher an der Rolex Daytona. Funktionieren bei einem Plagiat die Chronographen-Funktionen korrekt, kommt meist ein umgebautes Werk nach dem Baumuster des Valjoux 7750 zum Einsatz. Der Nachteil: Durch die ungewöhnliche Lage der Totalisatoren ist ein komplexer Umbau mit zahlreichen zusätzlichen Zahnrädern nötig. Dieser Mechanismus sorgt allerdings für einen enormen Zuwachs an Bauhöhe, weshalb diese Uhren allesamt zu hoch ausfallen. Andere Varianten nutzen ein Dreizeigerwerk, bei dem der Chronograph reine Dekoration ist.
Mit einer neuen Uhr hat eine der chinesischen Fabriken nun eine Bombe platzen lassen und einen Nachbau des Rolex-Manufakturwerks 4130 auf den Markt gebracht. Natürlich ist das Original durch etliche Patente geschützt, aber wie stets ist dieser Fakt nicht relevant für die Plagiathersteller.
Das Kaliber 4130 wurde zur Jahrtausendwende präsentiert und ist der erste hauseigene Chronograph von Rolex, komplett inhouse entwickelt und produziert. Das bis heute verbaute Kaliber 4130 verfügt über 44 Lagersteine, 72 Stunden Gangautonomie und die Rolex-typischen Kif-Stoßsicherungen für Unruh und Ankerrad. Eine vertikale Kupplung ermöglicht das ruckfreie Anlaufen des Stoppsekundenzeigers, die Funktionen werden über ein Schaltrad gesteuert. Das Plagiat verfügt über eben jene Funktionen, und ist bis in die Details nahezu baugleich. Wie allerdings auch schon beim kopierten 3135 gibt es einen maßgeblichen Unterschied in der Reguliereinrichtung. Während Rolex jeweils eine Unruh mit Microstella-Regulierschrauben am Unruhreif nutzt, und daher auf einen Rücker mit Spiralschlüssel verzichten kann, nutzt das gefälschte Werk einen deutlich sichtbaren Spiralschlüssel zur Einstellung der wirksamen Spirallänge und damit der Ganggenauigkeit. Beim Rolex-Kaliber ist hingegen nur der Spiralklötzchenträger sichtbar.
Für Uhrenhändler und Pfandhäuser ist nun eine neue Welle von Uhrenfälschungen zu erwarten, die in der optischen und qualitativen Anmutung so täuschend echt sind – und nicht einmal ein schneller Blick unter den Boden wird das Plagiat noch verraten können.
Ähnliches gilt für die neuen Plagiate der Omega-Modelle mit Co-Axialwerk 8500. Bisher wurde einem einfachen Miyota 8215 eine Kalotte übergestülpt, die optisch an das originale Werk angelehnt ist. Neben den optischen Unzulänglichkeiten ist vor allem die falsche Position der Unruh verräterisch. Grund genug für die Hersteller, ein eigenes Uhrwerk auf den Weg zu bringen. Im ersten Modell der neuen Generation – der Omega Seamaster 300 Spectre – wird das Werk nun eingesetzt, weitere Modelle sind mittlerweile ebenso im Angebot.
Auf den ersten Blick eine wirklich präzise Fälschung des Originals, selbst an die schwarze Unruh wurde gedacht. Auf den zweiten Blick fallen Unterschiede auf: zum einen scheinen nicht alle Steinlager funktional zu sein, zum anderen fehlt dem Uhrwerk die co-axiale Hemmung nach George Daniels. Stattdessen ist eine herkömmliche Hemmung verbaut, auch hier mit dem augenfälligen Merkmal des zusätzlichen Rückers statt nur einem Spiralklötzchenträger. Der Radsatz scheint zudem aus anderen Werke zu stammen, denn die Frequenz der Unruh beträgt 28.800 A/h statt der Co-axial-typischen 25.200 A/h. Dennoch sind die augenscheinlichen Fehler des Miyota im Schlafrock beseitigt – die Unruh liegt nun auf der richtigen Position, und die gesamte Optik des Werkes ist dem Original sehr nahe.
Es ist erstaunlich, was die Fälscherindustrie mittlerweile zu leisten vermag. Waren vor zehn Jahren noch optische Klone mit billigsten Werken aus China ausreichend, arbeiten die Unternehmen mittlerweile immer mehr an 1:1-Nachbauten, die sich weder auf den ersten, noch auf den zweiten Blick von einem nicht darauf geschulten Auge enttarnen lassen. Vor allem auf dem Gebrauchtmarkt, auf Uhrenbörsen, im Pfand- und Juweliersgewerbe dürften diese Uhren für Probleme sorgen. Denn mit einem 50-Dollar-Fake vom Strand haben diese Uhren lange nichts mehr zu tun, und wie es scheint, geht dieser Prozess zur Perfektionierung weiter. Die staatlichen Bemühungen der Behörden in China haben lediglich dazu geführt, das sich die Hersteller auf große Fabriken reduziert haben. Und jene arbeiten weiter wie bisher – schnell, fleißig und mit immer besserer Qualität.
Ja, das ist schon bitter für die großen Namen. Plötzlich zeigt sich, das Werkskonstruktion und -produktion keine sooo große Herausforderung ist wie immer behauptet.
Dadurch wird immer mehr offensichtlich, dass ein Großteil des Kaufpreises nicht mit de Erstellungskosten des Produkts sondern mehr mit den Marketingkosten zusammenhängt. Ob das auf Dauer den Interessenten genügd??
Du darfst aber nicht vergessen, dass das Werk ja auch entwickelt worden ist, vermutlich zigmal überarbeitet, bis es endgültig auf den Markt geworfen wurde. Das haben sich die Plagiateure (sagt man das so?) gespart.
Keine Frage, das stimmt. Auf der anderen Seite ist der Nachbau eines so komplex aufgebauten Werkes keine triviale Aufgabe, und sicher werden hier auch Nachbesserungen nötig sein. So ähnlich war es bei dem 3135 auch zu Beginn – die Aufzugwellen waren zu dünn und brachen in den ersten Batches.
In die Saemaster 300 gehört aber doch das 8400 und kein 8500, was zB. in meiner Planet Ocean verbaut ist. Die hat in meiner kleinen Sammlung übrigens die beständig beste Ganggenauigkeit. Ich war damals vom Werk, dem Schliff und seinen techn. Innovationen begeistert und ließ mich gerne von den inneren Werten überzeugen. Das ist natürl. eine andere Motivation, eine Uhr zu kaufen. Will sagen, dass die Eigenschaften der Plagiate zwar auch immer besser werden, aber die Qualitäten des Originals im Plagiat eben nicht enthalten sind.
Dennoch muß ich gestehen, dass ich auch seit einigen Jahren mit einer gewissen Begeisterung das Perfektionsstreben der Fälscher beobachte, die damit einfch zeigen, in welchen Preisregionen man unterwegs sein kann.
Eine Bildunterschrift ist übrigens noch fehlerhaft (8850) 😉
Um aus ein Produkt zu einer weltweit bekannte und führende Marke aufzubauen, wird man mit Marketingkosten von bis zu 50 % vom VK kalkulieren müssen.
Das steht außer Frage, und die Beträge sind je nach Marke noch deutlich höher. Dennoch wird die Gefahr im Grau- und Zweithandmarkt immens wachsen, solchen Uhren auf den “Leim” zu gehen.
Ein und dasselbe Phänomen bei Möbelklassikern von zB Eames. Diese werden auch in unterschiedlichen Qualitätsgraden gefälscht. Trittbrettfahrern ist immer einfach. Man muß Maschinen entwickeln und auch Personal finden, das einigermaßen fingerfertig ist. Aber wieviel Entwicklungsarbeit in dem Endprodukt steckt, sieht man erst an den vielen Prototypen und Zeichnungen. Abgesehen davon sind die Kopien zumeist nicht vom Standard, den der Designer vorgegeben hat und haben natürlich auch keinen Wiederverkaufswert.