Review & Test

Test: Parnis – vom Kopist zum Kreateur

Wer sich in den gängigen Internetforen über Armbanduhren tummelt, kennt die Marke Parnis bereits seit einiger Zeit. Lange galten die Uhren als Geheimtipp, schnell wurden Beiträge über den Hersteller jedoch unterbunden. Der Grund lag auf der Hand: Zahlreiche Modelle waren als Hommage an ein Original gestaltet – und damit, wenn auch ohne Schriftzug eines Herstellers wie Rolex, nah an einem Plagiat.

Das soll sich mit den neuen Evolution-Modellen gründlich ändern, sagt der Deutschland-Importeur von Parnis, Watchner aus Köln. Das Design der Uhren stammt aus Deutschland, ebenso die Vorgaben an die Qualität von Gehäusen und Bändern sowie allen anderen Bauteilen. Drei Testuhren konnten zeigen, was diese Evolution hervorgebracht hat.

Die Parnis Lume Master mit Handaufzug: Das Design ist nicht komplett fremd, aber auch nicht kopiert. Ein großer Schritt für Parnis hin zu sehr gefälligen Uhren. © Thomas Gronenthal

Alle drei Modelle kosten weniger als 200 Euro und bieten ähnliche „hard facts“:

  • Gehäuse aus Edelstahl, wahlweise PVD-beschichtet,
  • Saphirglas,
  • Schraubboden und –krone,
  • Durchmesser: 44 mm
  • Wasserdichte von 10 Bar/ 100 Metern,
  • Leder- oder Kautschukarmband,
  • Sichtglas im Boden.

Das Gehäuse wurde für die Modellreihe entwickelt und ist gefällig. Lünette und Boden sind 12-eckig gestaltet, der verglaste Schraubboden ist dabei dicht bis 10 Bar Wasserdruck. Auch die Krone ist verschraubt, in handlicher Größe und durch die Riffelung ideal zu verwenden. Die Gewinde von Boden und Krone sind sauber gefertigt und daher nicht nur gut zu bedienen, sondern auch langfristig stabil. Bei allen drei Uhren sind die Deckgläser aus künstlichem Saphir sauber eingepresst, auch die Bodengläser sitzen sicher in ihrer Dichtung. Das gesamte Gehäuse ist sauber gefertigt, weder stören Grate, noch scharfe Kanten. Auch die Politur ist makellos, selbst an neuralgischen Stellen wie zwischen den Bandanstößen.

SeaGull ST 25 in der GMT-Variante der Parnis Evolution. Saubere Details und schöne Schliffe zieren Werk und Gehäuse. © Thomas Gronenthal

Markant ist auch das Zifferblattdesign. Auf den ersten Blick kommt es bekannt vor – die Marke Panerai stand zumindest mit einer Idee Pate: Das Sandwich-Dial. Hierbei sind die Indices ausgefräst, und die Leuchtmasse liegt auf einer unteren Ebene. Das verleiht dem Blatt nicht nur Tiefe, sondern macht auch einen ordentlichen Auftrag des Leuchtmittels möglich. Das beweisen alle drei Uhren in der Nacht: Es strahlt. Bei zwei der Uhren – den beiden Automatik-Modellen – leuchtet sogar der Schriftzug des Herstellers.

Das SeaGull ST 36 ist ein Nachbau des Unitas 6497, einem Uhrwerk, das ursprünglich für Taschenuhren konzipiert wurde. © Thomas Gronenthal

Das klassischste der drei Modelle (Ref. 2120 – 189,95 Euro) verfügt über Handaufzug, zum Einsatz kommt das SeaGull ST 36. Das Uhrwerk ist eine Kopie des Unitas 6497 und gilt als eines der besten Kaliber aus China. Und tatsächlich, auf der Zeitwaage bei der Gangprüfung in verschiedenen Lagen zeigt das SeaGull hervorragende Werte. Weder in den liegenden, noch in den hängenden Lagen weicht das Werk mehr als sieben Sekunden auf 24 Stunden ab, bei Vollaufzug beträgt die Amplitude gar 300 Grad und die Abweichung nur knapp drei Sekunden. Das ist ein sehr guter Wert. Einziger Wermutstropfen ist beim Blick durch den Boden die Verzierung. Zwar ist das SeaGull-Kaliber mittlerweile auch mit echtem Genfer Streifen-Schliff zu haben, in dieser Uhr kommt jedoch noch die Version mit aufgeprägtem Schliffdekor zum Einsatz. Dafür ist das Lederband weich, riecht nach Leder und ist nach kurzem Eintragen sehr angenehm am Arm.

Massive Dornschließe mit Markenschriftzug – ebenso wertig wie der Rest der Uhr! © Thomas Gronenthal

Das gilt auch für die rosévergoldete Uhr mit PVD-schwarzem Lünettenring, das Modell Evolution 2131 (199,95 Euro). Das Modell in Roséplattierung (PVD) kommt an einem Lederband in Sattelbraun, auch hier ist der Tragekomfort sehr gut. In diesem Modell kommt ein SeaGull ST 25 mit automatischem Aufzug zum Einsatz, das neben der kleinen Sekunde auf neun Uhr auch das Datum zeigt. Als besonderes Detail zeigt eine Gangreserveanzeige im unteren Zifferblattbereich die verbliebene Restlaufzeit an. Neben der vollen Leuchtausstattung, die auch die Gangreserve umfasst, gefallen auch Details wie die schwarze Datumsscheibe. Auch hier gilt: Zifferblatt, Zeigersatz und auch das Werk sind gut verarbeitet. Das ST 25 trägt sogar echte Schliffe, ein großzügiger Perlschliff veredelt das Uhrwerk. Das Uhrwerk läuft auf der Zeitwaage minimal schlechter als das Handaufzugwerk: Mit durchschnittlich + 15 Sekunden könnte die Regulierung besser sein, zudem ist der Abfallfehler mit 0,4 ms relativ hoch. Die Maßnahme einer Gangkorrektur nach der Eintragezeit von vier Wochen ist natürlich gegeben, zumal der deutsche Parnis-Importeur Watchner auch zwei Jahre Gewährleistung mit einem eigenen Service bietet.

Das Zifferblatt der Version mit Gangreserve ist in Braun gehalten und entfaltet seine volle Schönheit in der Sonne. © Thomas Gronenthal

Komplett in schwarzem PVD kommt die GMT-Variante daher, zum Preis von 199,95 Euro. Auch hier ist das Gehäuse gut verarbeitet, die Lünette glänzend und der Korpus ist satiniert bzw. matt beschichtet. Neben dem Datum und der kleinen Sekunde verfügt das verbaute SeaGull ST 25 über die Anzeige einer zweiten Zeitzone bzw. eine 24-Stunden-Anzeige. Diese lässt sich in Stundenschritten verstellen und arbeitet präzise. Zum genauen Einstellen der Uhrzeit stoppt die Unruhe beim Ziehen der Krone. Eine manuelle Korrektur der Uhrzeit ist indes nicht häufig nötig: Auf der zeitwaage liegen die Gangwerte zwischen + 5 Sekunden/24h und + 11 Sekunden/24h, je nach Lage. Am Arm entwickelt die Uhr einen konstanten Vorgang von 9 Sekunden/Tag.

Parnis GMT mit zweiter Zeitzone, Datum und kleiner Sekunde. © Thomas Gronenthal

Alle drei Uhren haben noch zwei weitere Details gemeinsam: Beim Entfernen des Gehäusebodens kommt ein sorgfältig verschraubter Metallring als Werkhalter zum Vorschein. Plastik sucht man hier vergebens – ein wertiges Detail, das bei diesem Preis nicht unbedingt zu erwarten ist. Für Uhrenträger, die gerne ihre Bänder wechseln: Die Bandstege sind solide verschraubt. Mit dem richtigen Schraubendreher ist das kein Problem, Grobmotoriker kommen sicher besser mit Federstegen zurecht.

Krone mit Gravur, griffig und bestens geeignet zum Aufziehen und Stellen der Uhr.

Fazit: Erstaunlich viel Uhr für das Geld. Saphirglas, das Gehäuse aus sehr sauber verarbeitetem Edelstahl und dazu absolut alltagstaugliche Gangwerte. Nicht zu vergessen sei die sehr gute Ablesbarkeit am Tag und auch in der Nacht und die hochwertigen Armbänder, die wirklich zu gefallen wissen und auch an wesentlich teureren Uhren nicht besser sind. Parnis hat damit den Schritt von den Look-a-Likes hin zu eigenständigen Uhren geschafft, die mehr Wert sind als nur einen Blick.

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5 Kommentare

  1. Sehr guter Artikel,
    kann ich nur bestätigen; China entwickelt sich zusehends. Uns aktuell vorliegende Uhren aus dem Hause Seagull mit 2824 Clone ST2130 und 28.800 Halbschwingungen zeigen 1a Verarbeitung von Gehäuse und Zifferblatt. Das Werk ist wertig verarbeitet und läuft absolut stabil mit sehr guten Gangwerten, die mit dem Original aus der Schweiz durchaus mithalten können. Was wir nicht einschätzen können, wie es mit der Langzeitqualität und der Serienstreuung bestellt ist.

  2. Ein interessanter Beitrag wie ich finde. Die allmählich einsickernde Erkenntnis, dass die Zeiten in denen China nur kopieren konnte vorbei sind, wächst nach und nach auch in der Uhrenbranche. Zugegeben eine Tatsache, an die man sich irgenwie erst noch gewöhnen muss.

  3. Ich habe mir vom deutschen Distributor eine Parnis – PAM Homage – gekauft. Just for fun und auch mal um zu fühlen, ob mir diese Riesenuhr paßt. Es ist eine German Edition mit einem ST 36/21600 und Schwanenhalsreg im Titan Kleid mit Sapphire.
    Das ist jetzt 2 Monate her und zu meiner größten Überraschung zeigte sie eine Gangabweichung von max 2 sec bei einer Laufzeit bis 40 h. Ab da gings bergab bis ca 10 sec. Das Ende der Laufzeit habe ich nicht ausgetestet, aber 57 h bringt sie immer.
    Meine Enttäuschung ist groß, denn seit 2 Wochen “ lahmt “ sie. Schon nach 24 h geht sie alle 2 h 1 sec nach. Ich trage sie Tag u Nacht bis auf Gartenarbeit u führe Protokoll. Nehme ich sie längere Zeit ab u lege sie auf d Tisch, geht sie wieder schneller.
    Da ich kein Uhrmacher bin, bitte ich um Aufklärung. Vielen Dank im voraus…

    Viele Grüße

    1. Ohne das Uhrwerk zu sehen, kann schwer eine Aussage getroffen werden. Grundsätzlich ist der Gang eines mechanischen Uhrwerks in jeder Lage unterschiedlich, dafür ist die Schwerkraft verantwortlich. Liegt die Uhr also flach, ist der Gang anders als wenn die Uhr am Arm getragen wird. Im Idealfall ist der Unterschied sehr klein. Kommt aber jetzt ein anderer Fehler hinzu – ein mangelhaft geschmiertes Lager, oder eine andere Störung, kann das zu deutlich größeren Abweichungen führen. Grundsätzlich sind diese Unitas-Nachbauten extrem verlässlich, ein kleiner Fehler kann aber nie ausgeschlossen werden. Wenn Sie Garantie auf die Uhr haben, einsenden. Oder zu einem Uhrmacher geben. Der kann auf der Zeitwaage in verschiedenen Lagen prüfen, wo die Ursache liegt.

  4. Leider ist die Qualität grottenschlecht und der Service durch den Anbieter Bouraba miserabel. Versprochene Garantien, auch nach dem Verbraucherschutzgesetz, werden nicht eingehalten und Herr Bouraba taucht nach mehreren Kontaktaufnahmen ab. Also Finger weg und auf eine echte Rolex sparen. Rausgeschmissenes Geld !!

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