Die Überschrift zu dieser Review könnte auch lauten „Was passiert, wenn zwei Ingenieure freie Hand bekommen“ – denn genau das ist die Entstehungsgeschichte von Carbid Watches mit Sitz im nordrhein-westfälischen Xanten. Lars Thalmann und Konstantin Müller – beide Ingenieure – haben sich gemeinsam 2020 entschlossen, den Traum einer eigenen Armbanduhr umzusetzen. Heraus kam die Taifun – eine Uhr, die zeigt, was man machen kann wenn man nur will!
Zunächst ein paar Fakten – an denen schon zu merken ist, hier sind Profis am Werk: Für das Gehäuse kommt Edelstahl 316 L zum Einsatz – der exakt der DIN X2CrNiMo18-14-3 entspricht, wie die Homepage von Carbid Watches beschreibt. Der Durchmesser beträgt 42,5 Millimeter bei einer Höhe von 12,5 Millimetern, das sorgt für perfekte Proportionen und eine optisch flache Uhr. Mit Stahlband wiegt die Uhr satte 180 Gramm, aber auch mit dem abgebildeten Sailcloth-Band aus deutscher Fertigung ist die Uhr alles andere als ein Leichtgewicht. Im Gegenteil: Das Tragegefühl vermittelt eine angenehme Wertigkeit und ist zudem sehr komfortabel. Was aber wirklich überrascht – die Verarbeitung des Gehäuses ist makellos, und da auch in Ecken und Winkeln, die normal nicht besichtigt werden. Daher habe ich bei dieser Uhr auch mehr zerlegt als üblich – um ein wenig hinter die Kulissen zu schauen, wie man eine Uhr bauen KANN.

Einer der aufwendigsten Böden, den man nur fertigen kann: Mattiert, gestrahlt und poliert. © Thomas Gronenthal
So ist der Edelstahlboden mit doppelt innen entspiegeltem Saphirglaseinsatz (auch das Deckglas ist aus doppelt entspiegeltem Saphir) alleine mit drei verschiedenen Oberflächen versehen: Matt gestrahlt, poliert und mattiert. Das Gehäuse ist ebenfalls abwechselnd mattiert und poliert, die Lünette und Krone sind – aber lassen wir doch die Website von Carbid Watches sprechen:
Lünettenaußenring mit Drallfräsung, Gehäuseseitenlinie mit dreidimensionaler Kurve, besonders gestalteter Boden mit graviertem Außenring und Saphirglas… Hier kommt nichts von der Stange.
Ja, besser lässt sich das kaum ausdrücken. Beeindruckend ist in der Tat die Makellosigkeit des Gehäuses – die Lünettenrastung wie ein Tresor, die Einlage aus Keramik, das Bodengewinde oder der verschraubte Kronentubus, der eine spezielle Aufnahme für das Schraubwerkzeug besitzt: Die Uhr wirkt wie das Werk von Erbauern, die sich ohne Rücksicht auf Kosten austoben durften. Das Gehäuse ist bis 300 Meter wasserdicht – die Prüfung besteht die Uhr auch ohne Probleme und bietet noch weitere Reserven.
Selbstverständlich ist bei den Erbauern auch ein im Gehäuse fest über Briden verankertes Uhrwerk, das durch einen mattierten Metallring in Position gehalten wird. Als Uhrwerk kommen ein ETA 2824-2 oder das Pendant Sellita SW200 zum Einsatz. Die Testuhr nutzt das Sellita-Kaliber. Und auch das fährt optisch wie technisch alles auf, was möglich ist: Volle Schliffe, ein speziell für Carbid angefertigter Rotor, Chronometer-Unruh aus vergoldetem Glucydur – und eine Top-Präzision sowohl auf der Zeitwaage wie auch am Arm. Zwischen 0 und plus einer Sekunden sind die Zeitwaagenwerte, im Tragetest – unabhängig von der Betätigung am Schreibtisch oder im Garten – lief die Uhr in einer Woche knappe vier Sekunden vor. Das kann sich sehen lassen!
Das Zifferblatt ist mit Sonnenschliff versehen und blau lackiert. Und auch hier bietet die Taifun ein bisschen mehr als das, was für eine gute Uhr nötig wäre. Das Zifferblatt hat nicht nur sorgfältig applizierte Indexe, sondern auch einen aufgesetzten Ring für die Skalierung. Die Verarbeitung ist auch hier makellos in allen Details. Als Leuchtmasse kommt Superluminova BGW 9 zum Einsatz, ebenso wie auf der Lünette und in den Zeigern.
Die Zeiger sind skelettiert, der Sekundenzeiger trägt den Mittelteil des Firmenlogos, einer Sanduhr, in rot als optischen Hingucker. Anzumerken sei, dass die bei der Testuhr verbaute Lünetteneinlage aus blauer Keramik in der Serie zunächst schwarz sein wird. Neben dem sehr komfortablen Segeltuch-Band mit Dornschließe ist die Uhr an einem sehr aufwendig gefertigten Stahlband zu haben, das neben einer integrierten Weitenverstellung auch sehr komfortabel zu tragen ist.
Fast klar ist dann auch, dass die Verpackung der Uhr nicht einfach sein kann. In der Box findet sich daher eine Mischung aus Aluminium, Edelstahl und Engineering. Ein Uhrenständer, auf den die Taifun zur Nachtruhe abgelegt werden kann. Besser kann man eine Uhr kaum in Szene setzen – und die Liebe zum Detail gefällt.
Watchthusiast-Fazit:
Diese Uhr kann es in Sachen Verarbeitung, Liebe zum Detail und Umsetzung locker mit der Preisklasse um 5.000 Euro aufnehmen. Kosten wird die Uhr 1.679 Euro, ab dem 1. November 2022 beginnt die Auslieferung, vorbestellt werden kann bereits jetzt.
Selten habe ich einen Microbrand erlebt, der sich eine solche Mühe gegeben hat – und zwar in allen Details, innen wie außen bis hin zur Aufbewahrung der Uhr. Davon können sich einige namhafte Hersteller eine Scheibe abschneiden!