Vintage-Uhren

Die IWC für Ingenieure

Der Name ist bei der IWC Ingenieur seit Mitte der 50er Jahre Programm: Für Techniker wurde die Uhr geschaffen, die großen Wert auf Wasserdichte, Magnetfeldschutz und hohe Gangpräzision sowie Verlässlichkeit legen. Unter der Referenz 666 A kommt 1954 die Uhr auf den Markt. Das automatische Kaliber 852 ist ein Werk des seit 1944 in der Schaffhauser Manufaktur tätigen technischen Direktor, Albert Pellaton.      Zifferblatt, Werkhaltering und ein eingelegter Zwischenboden erzielten einen Magnetfeldschutz von 80.000 A/m (magnetische Feldstärke in Ampere pro Meter). Angelegt war die Uhr als zivile Version der Mark XI, die eher militärischen Einsatzzwecken diente. Erhältlich war die Uhr nicht nur in Edelstahl mit einem Stahlband, sondern auch in Gold mit Lederband. Neben der Funktion stand auch die Eleganz im Vordergrund einer Uhr, die ein Ziel hat: Präzise die Zeit anzeigen, ohne sich von äußeren Einflüssen behindern zu lassen. Die Preise: 1957 kostet eine stählerne Ingenieur als Automatic mit Datum 520 Deutsche Mark – eine massive Golduhr 1.330 Deutsche Mark (18 Karat). Als Seltenheit gelten die Uhren in 14 Karat Gold mit Stahlboden – bei einem damaligen Preis von 770 Deutschen Mark ein vertretbarer Aufpreis zum reinen Stahl. Heute werden die Modelle je nach Zustand und Gehäusematerial zwischen 4.000 und bis zu 8.000 Euro gehandelt.

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Eine Frühzeit-Ingenieur aus dem Jahr 1954, in massivem Gelbgold, versteigert bei Antiquorum. ©Antiquorum

Eine Wasserdichte von 10 bar ist wichtiges Merkmal dieser Alltagstauglichkeit, und in den 50er Jahren noch eine Seltenheit bei den Uhren aktueller Produktionen. Auf dem Zifferblatt der Ingenieur zeigt das Logo stolz, welcher Herausforderung die Uhr trotzt: Den Schriftzug „Ingenieur“ ist eingefasst mit einem Blitz, der deutlich auf die Resistenz gegen Elektrizität bzw. Magnetismus hinweist. Doch sonst ist die klassische Ur-Ingenieur unauffällig. Lediglich das Zifferblatt sowie die Dauphine-Zeiger tragen Leuchtmasse, um die Ablesbarkeit auch unter schwierigen Umständen zu gewährleisten.

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„Jumbo“-Ingenieur, bereits im neuen Gewand. Das Design stammt von Gerald Genta, der ebenso für Klassiker wie die Audemars Piguet Royal Oak oder die Patek Philippe Nautilus steht. ©Antiquorum

Mitte der 70er Jahre beginnt die Ingenieur ein neues Leben – und zu verdanken hat sie es einem Designer, der bereits wenige Jahre vorher für eine Revolution sorgte. Gerald Genta, Anfang der 70er Jahre Schöpfer der Audemars Piguet Royal Oak, nimmt sich des klassischen Designs an und überführt die Uhr in die Form, die bis heute am deutlichsten für die IWC Ingenieur steht. Diese Wiedergeburt kleidet das Modell komplett neu ein: ein mehrteiliges Gehäuse nimmt die Tonneau-Form und bliebt dennoch rund. Der runde Glasrand mit den charakteristischen fünf Vertiefungen für das Öffnungswerkzeug umschließt das Zifferblatt, das den Kernwerten treu bleibt: Perfekte Ablesbarkeit. Vorgestellt wurde die neue IWC Ingenieur 1976, ab 1977 standen die Uhren auch in den Geschäften zur Verfügung. Typisch für das Design von Genta verfügt auch die Ingenieur über ein Ansatzband, das sich zu einer optischen Einheit mit dem Gehäuse fügt. Mit einer Größe von knapp 40 Millimetern fiel auch die Ingenieur groß aus – bis heute trägt das erste Modell mit der neuen Formensprache daher den Beinamen „Jumbo“. Erhältlich war die Automatic mit dem antimagnetischen Kaliber 8541ES, ebenso mit einem Quartz-Uhrwerk (Ref. 3003 etc.). Eine Wasserdichte von 120 Metern lässt der Uhr noch mehr Freiräume am Arm – neben der ursprünglichen Zielgruppe versucht IWC auch die sportlichen Uhrenträger zu begeistern, der bei Wassersport und anderem nicht auf die Uhr verzichten mag. Noch immer wird das Uhrwerk von einem Käfig aus Weicheisen umschlossen, der Magnetismus bis 80.000 A/m vom Kaliber 8541ES fernhält. Das automatische Werk mit Datum ist für seine Präzision bekannt. Doch mitten in der Quarzkrise der Uhrenindustrie sind die Verkäufe schlecht – nur knapp 1.000 Stück produziert IWC von der ersten Ingenieur in Genta-Design. Heute erreicht die Uhr je nach Zustand Preise von bis zu 10.000 Euro – und zählt auch dank der kleinen Auflage zu den rarsten Modellen der Uhrengeschichte. Die damaligen Einsteigspreise lagen deutlich darunter: Für 2.800 Deutsche Mark wechselte die Ingenieur in Edelstahl über den Ladentisch, in der Mixte-Version (14 Karat Gold / Edelstahl) für 5.360 DM. Eine Geldgold-Version in 18 Karat ergänzte die Serie – schlug mit 18.300 DM jedoch auch ein größeres Loch in das Ersparte.

1983 wird die Ingenieur flacher und kleiner, deutlich weniger als 40 Millimeter im Durchmesser sprechen den Uhrenträger nun an. Die schlanke Uhr geht nun als IWC Ingenieur SL an den Start und bricht mit einer Tradition: dem Manufakturwerk. Erstmals wird in der Uhr ein ETA-Basiskaliber eingesetzt. Das ETA 2892-2 wird in der Schaffhauser Manufaktur veredelt und ergänzt – eine Schwungmasse mit Außensegment aus 21 karätigem Gold zählt dazu. Kein Unbekannter tut derweil Dienst in der Manufaktur – viele der Gehäuse aus den 80er Jahren hat Lothar Schmidt, heute Inhaber von Sinn Spezialuhren zu Frankfurt, mitentwickelt.

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Klein und fein: Die Ingenieur wird zur SL und prägt mit dem Zifferblatt im Millimeterpapierdesign eine neue Generation. ©Antiquorum

1989 präsentiert die IWC eine Uhr, die alle Grenzen sprengt. Basierend auf einer Zusammenarbeit mit dem Bund entwickelte IWC Werkstoffe, die ein Serienuhrwerk extrem magnetfeldresistent machen. Dabei wird das Basiskaliber, ETA 2892-2, in vielen Details aufwendig umgebaut. Mit der Ingenieur 500.000 A/m bietet IWC eine Uhr mit enormem Schutz gegen Magnetfelder – und das ohne ein Weicheisengehäuse im Innern nutzen zu müssen. Nicht nur die Hemmung, auch die Spirale und die Unruh wurden aus alternativen Werkstoffen wie Zink-Niob gebaut – mit immensem Aufwand. Was technologisch spannend war, wurde zum finanziellen Reinfall: Die Kosten für diese Entwicklung waren extrem hoch, die Verkaufszahlen konnten das Investment nicht decken. Anfang der 90er Jahre findet die 500.000 A/m bereits eine Ende, nach nicht einmal 2.000 gebauten Exemplaren. Heute zählt sie zu den raren Modellen, die ihre Liebhaber nach und nach für sich einnimmt. Mit einem Durchmesser von 34 Millimetern eher zart, ist die 500.000 A/m auch heute noch ein Begleiter, der zu gefallen weis. Präzise und solide, unauffällig und elegant präsentiert sich die Uhr. Auch das gezeigte Fotomodell – lediglich bei einer Revision ergänzt um eine schwarze Datumsscheibe mit goldenem Aufdruck statt der klassisch weißen – tut heute noch ihren fast täglichen Dienst am Handgelenk des Autors.

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Die Ingenieur 500.000 A/m: Die Uhr ist lange das Modell mit dem besten Magnetfeldschutz, IWC baute alle relevanten Teile des Werkes in amagmnetischer Version nach. ©Antiquorum

Mit den Mecaquartz-Werken gibt 1991 die Ingenieur die Elektrizität nach innen – ein weiteres Mal nach der Jumbo in den 70ern. Mit dem Kaliber 633, hergestellt von LMH-Konzernschwester Jaeger LeCoultre, kombiniert die Ingenieur zwei Schrittschaltmotoren mit einem mechanisch aufgebauten Chronographenaufbau – und einem Wecker. Das Werk galt als technisches Finesse, und ist es bis heute. Auch die mechanischen Uhren werden nun von Jaeger LeCoultre-Werken angetrieben, hier kommt das 889 zum Einsatz. Die Modelle aus der Zeit sind mit Glück für Beträge um 2.000 Euro heute zu bekommen. Kenner mögen auch hier das schlichte Auftreten – lediglich eine Datumslupe ergänzt die Uhr. Ein Chronometerzeugnis belegt die Präzision eindrucksvoll.

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Ingenieur back to Jumbo: Die Uhr gewinnt wieder an Größe, das Werk ist wieder Manufaktur. Ein Klassiker geht seinen Weg! ©Antiquorum

Das klassische Design der Ingenieur hat sich wenig verändert – wohl aber die Größe. Die damals als groß empfundene Jumbo wird zur kleinen Uhr, und Materialien wie Titan und Keramik halten in den letzten zehn Jahren Einzug in die Uhr für Ingenieure. Eine Vintage-Kollektion zeigt 2008, wie die Wurzeln aussahen. Seitdem zitiert die IWC Ingenieur Vintage die Vergangenheit vor Gerald Genta. Ob dem Zeitgeist geschuldet oder der Ästethik: Der Glasboden mancher aktueller Ingenieur-Modelle lässt den Magnetfeldschutz in den Hintergrund treten. Die Technik des Werkes geht allerdings zurück zu den Wurzeln der 50er Jahre: Mit Pellaton-Aufzug zeigen Kaliber wie das 80110 die technische Ästhetik. Welches Design die Uhr auch immer haben wird – ein Klassiker ist sie in allen Varianten – ihr Platz ist ihr daher sicher in der Ahnengalerie der Uhren.

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Back to the roots: 2008 geht die Ingenieur zurück zu den Wurzeln des Designs vor Genta. Die Serie ergänzt die Ingenieur-Kollektion. ©Antiquorum

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