Die „erste Luxus-Sportuhr aus Stahl“: Diesen Titel trägt die Audemars Piguet Royal Oak, die im Jahr 1972 auf den Markt kam und damit bald 50 Jahre alt wird. Das Erscheinungsjahr war kein einfaches – alle Uhrentrends wiesen in Richtung Quarz, und trotzdem stellt Audemars Piguet die Royal Oak vor. Der Name ist Programm: In einer Eiche versteckte sich der englische König Karl II. im Jahr 1651 während der Schlacht von Worcester vor seinen Feinden, und später wurde der Name von der Royal Navy für sieben Schlachtschiffe übernommen. Die Kanonenluken der Kriegsschiffe aus dem 17. Jahrhundert inspirierten Designer Gérald Genta für das Design der Uhr – nicht die einzige Ikone, die er entworfen hat. Auch die IWC Ingenieur und die Patek Philippe Nautilus stammen von dem in Genf geborenen diplomierten Designer.
Stahl statt Gold
Die Royal Oak war eine Revolution. 1972 bestand eine Luxusuhr aus Gold – und nicht aus Edelstahl. Hinzu kam das exaltierte Design mit integriertem Armband. Doch Georges Golay, damals Generaldirektor von Audemars Piguet, stand hinter dem Projekt, stellte die Uhr auf der Basler Uhrenmesse vor. Der Preis: 3.300 Schweizer Franken. Umgerechnet waren das damals schon fast 4.000 Deutsche Mark – wohlgemerkt zu einer Zeit, als eine Edelstahl-Rolex im Oysterdesign weniger als 1.000 Mark kostete. Selbst eine massivgoldene Patek Philippe Calatrava kostete 1972 weniger als 3.000 Mark.
Meilenstein im Design
Das Design der Royal Oak wird von acht Ecken bestimmt: Acht Schrauben in sechseckiger Form schließen das mehrteilige Gehäuse mit dem damals immensen Durchmesser von 40 Millimetern. Übliche Herrenuhren hatten einen Durchmesser von 34 Millimetern! Zu den konstruktiven Besonderheiten gehört eben diese Verschraubung mit Bolzen von oben, die von unten mit Muttern gesichert werden und den Glasrand samt Gummidichtung am Korpus halten. Die ersten Modelle sind mit einem Monobloc-Gehäuse und lassen sich daher nur über das Glas öffnen. Die Sechskantköpfe auf der Lünette lassen sich exakt ausrichten und beweisen den geometrischen Charme der Uhr. In das Gehäuse integrierte Genta ein aufwendiges Stahlarmband, dessen Glieder sich zur damaligen Klappschließe kontinuierlich verjüngten. Heute kommt eine Doppelfaltschließe zum Einsatz. Rund 250 verschieden polierten Kantenbrechungen am Gehäuse und Armband machen die Royal Oak zu einem der aufwendigsten Modelle der Uhrengeschichte. Das Uhrwerk war damals mit einer Höhe von 3,05 Millimetern das flachste auf dem Markt und wurde mit einem 21-karätigem Goldrotor ausgestattet und bot ein Datum, aber keinen Sekundenzeiger. Die Kif-Stoßsicherung und Gyromax-Unruh mit Microstella-Gewichtsschrauben zur Feinregulierung machen das Werk technisch zu einem Leckerbissen. Passend für eine Sportuhr war die Royal Oak bis zehn Bar Druck wasserdicht.
Das Zifferblatt
Hufnagel-Muster, Tapisserie oder Clous de Paris: Das charakteristische Zifferblatt mit seiner Guilloche ist ebenso ein Erkennungsmerkmal der Royal Oak. Bei diesem Muster liegt das Geheimnis in wenigen hundertstel Millimeter Präzision, während die Maschine unter dauernder Beobachtung arbeitet. Je nach Durchmesser des Zifferblatts dauert das Aufbringen des Schliffes zwischen 45 Minuten und einer Stunde. Dennoch zieht es sich wie ein roter Faden durch die gesamte Kollektion – und das über fast 50 Jahre. Für die spätere Erweiterung der Linie – die Offshore – wurde das Muster deutlich größer. Der Wiedererkennungswert litt darunter nicht – im Gegenteil. Mit der Royal Oak Offshore entwickelte Audemars Piguet 1993 das Konzept der Luxussportuhr weiter, das neue Modell ist sportlicher und wirkt deutlich technischer. Damals bekam die Uhr wegen ihres 42 Millimeter großen Gehäuses den Spitznamen „The Beast“. In der Zwischenzeit hat sich diese Größe bei Chronographen längst als Standard etabliert.
Schnell bekommt die Uhr auch prominente Unterstützung: Arnold Schwarzenegger wird Pate für die Uhren, die in limitierter Auflage mit seiner Unterstützung ein spezielles Design erhalten. Ein echter Klassiker dieser Kooperation ist der Royal Oak Offshore T3 Chronograph anlässlich des Films „Terminator 3“. Mit einem Durchmesser von 52,5 Millimetern hält sie zudem bis heute den Größenrekord der Offshore.
Komplikationen und stete Innovation
Unterschiedliche Lederbänder in Zifferblattfarbe oder kontrastierende Hilfszifferblätter beim Chronographen erfinden die Royal Oak immer neu, zudem gibt es die Uhr heute mit allen erdenklichen Komplikationen. Tourbillon, Chronograph, ewiger Kalender – das charakteristische Gehäuse beinhaltet alles bis zu komplexen Grande Complication-Werken. 2017 stellte Audemars Piguet auf der Genfer SIHH ein Modell mit faszinierender Ausstrahlung vor: Bei der Royal Oak Frosted Gold wird die Oberfläche von Gehäuse und Band mit einer alten Goldschmiedetechnik so bearbeitet, dass der Eindruck einer von morgendlichem Raureif überzogenen Oberfläche entsteht.
Die mechanischen Frosted-Gold-Modelle arbeiten mit dem Manufakturkaliber 3120 (Automatik), das Audemars Piguet bereits 2004 vorgestellt hatte und seit 2005 für die Royal Oak verwendet. Die Kollektion entstand zusammen mit der Florentiner Schmuckgestalterin Carolina Bucci. Längst gibt es die Royal Oak auch mit Gehäusen aus Titan, schwarzer oder weißer Keramik und anderen Kombinationen.
Eines ist allen Modellen gemeinsam: Sie sind nur schwer zu bekommen, die Wartelisten sind lang. Die klassische Royal Oak von AP ist nach wie vor das begehrteste und vor allem zeitlose Modell – egal, ob es sich dabei um die aktuelle 41-Millimeter-Referenz 15400 oder eine Vintage-Referenz 5402 aus den Anfängen der Royal Oak handelt. Die Preise sind entsprechend hoch, nicht umsonst ist die Audemars Piguet Royal Oak eine der wertstabilsten zehn Uhren der Welt.
Im Kern ist sich die Uhr immer treu geblieben: Das Stahlgehäuse, die achteckigen Lünette, das „Tapisserie“-Zifferblatt und das integrierten Armband machen die Royal Oak seit 1972 zu einem Klassiker. Das dazu damals Regeln gebrochen werden mussten, macht die Geschichte nur noch reizvoller. Denn so entstehen Legenden.
MW