In den letzten Jahren hat ein interessanter Trend die Uhrenwelt aufgemischt: Microbrands. Statt etablierter großer Marken sind das kleine, gerade erst gestartete und nicht selten durch Crowdfunding finanzierte Hersteller. In Foren und Liebhaberkreisen hat sich schnell ein regelrechter Kult rund um die kleinen, unabhängigen Brands entwickelt.
Zwei Kategorien helfen bei der ersten Auswahl – handwerklich orientierte Marken und eher dem Lifestyle zugehörige. Zu den handwerklichen Herstellern gehören Circula aus Pforzheim, Visconti aus Florenz, Jean Marcel aus Birkenfeld, Borgward timepieces aus Efringen-Kirchen, ErrediBi aus Mailand und Biatec aus der Slowakei.
In die Kategorie Lifestyle fallen Schindler Ochoa aus Dublin, Evolvens aus Budapest, Balticus aus Polen und je nach Produkt auch Jean Marcel.
Wer lieber nach Taucheruhren, Fliegeruhren oder Chronographen sucht, kann auch das ohne Probleme in dem übersichtlichen Shop machen. Zu allen Marken gibt es Informationen – aktuell nach einem Relaunch auf Englisch, aber die deutsche Seite wird parallel aktualisiert und folgt etwas später.
Eines zeigt sich an den Marken: Nicht alle sind komplette Anfänger – Jean Marcel beispielsweise ist bereits in den Wurzeln fast 100 Jahre alt. Dennoch gelten alle Marken als klein und fein.
Die Preisspanne aller Marken: Zwischen 170 Euro und knapp über 3.000 Euro. Da ist definitiv für jeden Geldbeutel etwas dabei! Vor allem in Anbetracht des kommenden Weihnachtsfestes wird sich manch Uhrenfreund über ein Geschenk aus diesem Shop freuen. Zumal das shoppen dank des Magazin-Stils Vergnügen bereitet!
Im Interview erzählt mir Gründer Tankred Tescher, was ihn zu Chronofactum bewogen hat – und welche Marken sich aus seiner Sicht für das „Microbrand gathering“ anbieten.
Was hat Dich inspiriert, mit Chronofactum eine eigene Plattform im Internet für kleine und noch kaum bekannte Uhrenmarken zu schaffen?
Das Ganze ist mittlerweile schon einige Jahre her. Ich war damals auf der Suche nach einer neuen Uhr. Es sollte etwas Unbekannteres sein. Also fiel die Suche in den Fußgängerzonen weg und online waren diese kleinen Manufakturen auch nur schwer auffindbar. Uhrenshops gab es bereits einige, aber da waren nur die Big Player vertreten. Zudem fehlte mir die Übersichtlichkeit und hinter den Marken die Geschichte, die Emotion. Die Initialzündung folgte dann auf einer Messe in Florenz. Hier kam ich in Kontakt mit einem damals noch sehr kleinen Brand aus Paris. In diesem Gespräch und den Wochen danach wurde mir bewusst, dass ein gutes Shop-Konzept für Microbrands genau die Plattform ist, die Kunden und Marken helfen kann, zusammenzufinden.
Microbrands erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Woran liegt das Deiner Meinung nach?
In Kanada und den USA ist das Thema Microbrands bereits deutlich bekannter. Bei uns in Deutschland und in Europa steht das Ganze noch am Anfang. Aber wie du sagst, das Interesse wächst. Die Italiener haben mit der „W.O.I.-Watches of Italy“ bereits ein eigenes Messeformat für italienische Uhrenmarken ins Leben gerufen. Auch einige der Marken, die wir vertreten, waren dort dabei.
Die generell wachsende Beliebtheit liegt meiner Ansicht nach am starken Wunsch der Menschen nach mehr Individualität, mehr Neuigkeit, Authentizität und Seele. „Support your Local Hero“ – unterstütze die kleinen Unternehmen von nebenan. Dieses Gefühl, kleinere, individuelle Unternehmen zu supporten, ist der Kern unserer Marke.
Wie wirkt sich die aktuelle Situation rund um Corona auf Deinen Shop aus?
Bei geschlossenen Grenzen und Kontaktbeschränkungen sind persönliche Kundenbesuche leider schwierig geworden. Wir haben uns daher beim ersten Lockdown entschlossen, den Start der Lifestyle-Sektion vorzuziehen.
Nach welchen Kriterien suchst Du Marken für Chronofactum aus?
Die Uhren müssen uns natürlich erst einmal ansprechen. Wichtig sind uns aber auch die Menschen hinter der Marke. Wir legen viel Wert auf ein partnerschaftliches Verhältnis.
Bei den Manufaktur-Marken setzen wir auf Uhren aus europäischer Produktion mit europäischen, mechanischen Uhrwerken. Die Bauteile, die diese Marken verwenden, stammen größtenteils aus Fertigungen in der Nähe des Markenstandortes oder aus der Schweiz. Ausnahmen sind beispielsweise hochwertige Lederbänder von Horween aus den USA.
In die Lifestyle-Sektion nehmen wir spannende Marken auf, die mit japanischen Werken arbeiten oder Quarzmodelle anbieten. Qualität und Preis-Leistung sind uns hier sehr wichtig.
Gibt es etwas, das Du als No-Go bei einem Microbrand ansiehst?
Das schöne in der Welt der Microbrands ist die Freiheit. Jede Marke darf machen, was sie will. Die Limits sind nur die Fähigkeiten des Einzelnen. Jede Form ist erlaubt, jede Qualität, jeder Preis. Am Ende entscheiden alleine die Kunden, ob ein Produkt erfolgreich ist. So gesehen ist das einzige No-Go – das aber universell für alles gilt – den Kunden zu belügen. Verkauft man Saphirglas und liefert Mineralglas, so ist das Betrug. Aber Marken, die so arbeiten, werden von der Community schnell entlarvt.
Menschen und mechanische Uhren: Gibt es weiter eine Zukunft für eine Uhr mit mechanischem Werk?
Solange sich Menschen noch faszinieren lassen, wird es immer mechanische Uhren geben. Wäre das nicht so, wäre die mechanische Uhr längst tot. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Quarzkrise hat die Industrie in die Knie gezwungen – sie ist wieder aufgestanden. Und die Angst vor der Smart-Watch war unbegründet – ich kennen niemanden, der seine mechanische Uhr gegen eine Smart-Watch eingetauscht hätte. Die Videos „A smart watch – and a half“ mit der Legende Kurt Klaus von IWC sagen da eigentlich alles. Daher blicke ich sehr optimistisch in die Zukunft der mechanischen Uhr.
Was fasziniert Dich selber an einer Uhr?
Die Feinmechanik und die Handwerkskunst, die zum Bau einer hochwertigen mechanischen Uhr notwendig sind. Mindestens genauso faszinieren mich aber auch die Menschen hinter den Marken, die die Uhr mit immer wieder neuen Ideen und Innovationen beleben.
Was war Deine erste Uhr?
Eine Flik-Flak… Ich glaube da war ich 6 Jahre alt. Die Faszination fing etwas später an, mit dem Erbe einer alten Fabior Berthet Squelette. Diese Uhr ist bis ins letzte Detail skelettiert, sodass man das mechanische Zusammenspiel der Elemente perfekt beobachten kann.
Und Deine Lieblingsuhr?
Die Berthet steht tatsächlich noch an einem besonderen Platz im Büro. Ansonsten haben so viele Uhren ihre ganz eigene Faszination auf mich, dass es schwer fällt, eine einzige zu nennen.
Welche Brands haben wir in den kommenden Monaten noch zu erwarten auf Deiner Plattform?
Oh, da gibt es einige tolle neue Marken. Es wird eine Marke aus Bayern mit sehr schönen Mondphasen-Uhren dazukommen, und die italienische Marke, die damals alles angestoßen hat, ist mittlerweile auch fest an Bord. Wir sind aber auch stetig dabei, weitere Brands zu sichten und zuzufügen.
Danke für das Interview!
Ich danke dir! 🙂