Gefälschte LuxusuhrenNeues aus der Uhrenwelt

Kopisten aus der Schweiz: Wie eine Teleshopping-Marke Designs klaut

Es ist Samstag, der 18. Dezember 2021, etwas nach 22:00 Uhr: Bei 123tv werden Uhren aus der Schweiz feilgeboten. Im Angebot sind Uhren der Marke Vidar 1909. Die Jahreszahl suggeriert Geschichte, Historie, man meint förmlich einen alten Uhrmacher im Staub zu sehen. Tatsächlich gehörte der Name lange Jahre zu Roamer. Später widerfährt Vidar ein Schicksal, dass selbst Marken wie Blancpain kennen: Die Schublade und damit der Dornröschenschlaf.

Das meint Max Schradin zu VIDAR. © 123tv, Quelle: https://www.1-2-3.tv/show/vidar/

Es werden einige Uhren präsentiert, die verdächtig das Design der Rolex Yachtmaster imitieren. Andere erinnern an die Calibre de Cartier. Plötzlich ist eine Formex Essence auf dem Bildschirm zu sehen – nur das diese gelungene Sportuhr des Schweizer Herstellers Formex aus Biel plötzlich St. Tropez heißt und von Vidar zu sein scheint.

Selbst die Dimensionen sind identisch – ohne weitere Bearbeitung wurden die beiden Hälften angefügt….

Eine schnelle Recherche bringt zutage, dass Vidar heute zum Uhren-Imperium der Münchener BonMercato gehört. Strohmayer & Braun, die beiden Inhaber, vergolden sich mit zahlreichen Marken ausschließlich im Vertrieb über 123tv die Türklinken. Zumindest in der Design-Abteilung sparen sich die beiden findigen Unternehmer einiges an Kapitaleinsatz: Ob das Zifferblatt, die Gehäuseform – alles an der Vidar St. Tropez ist eine Kopie der Formex Essence.

Verblüffend – die Formex Essence links, die Vidar St. Tropez rechts. Und keine Sorge – die Formex gibt es auch mit Fumé-Blatt mit dem Farbverlauf. © Formex / Vidar

Kann man bei einer Taucheruhr nach dem Vorbild der Yachtmaster noch wohlwollend davon ausgehen, das Rolex wohl kaum einen Schaden durch einen Designzwilling erleidet, sieht das bei einer kleinen Marke, die sich seit Jahren mit Top-Qualität, Design und Service mehr und mehr Marktanteile erobert anders aus. Aufgrund meiner Berichte über Formex kenne ich die Marke und die Macher ebenso – das Design ist ein zentraler Punkt der Uhren und auch Hinweis auf die Features. Die vier auffälligen Gehäuseschrauben verbinden bei Formex das federnd gelagerte Innenteil des Gehäuses – ein Mechanismus, um das Uhrwerk vor starken Stößen zu bewahren. Bei Vidar sind diese Schrauben als Designelement nicht nur einfach geklaut, sondern haben mit der Funktion des Originals auch nichts am Hut.

Autsch, das tut auch weh: Das ist doch das Design der Rolex Yachtmaster? © Vidar

Sehr unterhaltsam ist auch der neben dem „Verkäufer“ Schradin hinzugezogene „Experte“ Reinhold Deisenhofer, den manch einer noch aus alten TV-Tagen rund um verschiedene Autorennplätze kennt. Mit Uhren hat seine Vita herzlich wenig Verbindung, laut eigener Aussage habe er aber am Design der neuen Vidar-Knaller mitgewirkt. Vermutlich nutzt er in seinem Büro in der Gernotstrasse in München – nur knapp 12 Kilometer entfernt vom BonMercato-Headquarter – aktuelle Verzeichnisse, in denen Hersteller ihr geistiges Eigentum präsentieren. Mehr Einsatz ist ihm aufgrund der fachkundigen Präsentation auch kaum zuzutrauen.

Während ich den Livestream von 123tv verfolge, versuche ich nachzuvollziehen, wie eine unschuldige Uhrenmarke mit Vergangenheit zur Kopistenbude wurde. Vidar residiert an einer noblen Adresse in Genf – der Rue du Rhône 14, unweit der Fontäne im Genfer See. Wer nach der Adresse sucht, wird fündig – Meetingräume stundenweise und Briefkästen monatsweise zum Mieten: Hier verbirgt sich ein Büroservice, der neben der Adresse auch Postdienste zur Verfügung stellt. Bedarfsweise Abrechnung hat in dem Gebäude Tradition – es findet sich auch der VIP Escort Service hier, der auf Wunsch von Blond bis Brünett alles bietet, was sich erfolgreiche Uhrenmanager wünschen. Eine Manufaktur findet sich hier jedenfalls nicht.

2012 kommt Manfred Strohmayer ins Spiel. Er übernimmt Vidar und bringt zunächst eine Uhr mit eingebautem Stoßdämpfer für Golfspieler auf den Markt. Die Vidar Golf Impact zitiert zwar auch das Design anderer Hersteller – eine Kopie ist es indes nicht.

Die Golf Impact – ein Hauch von Eigenständigkeit! © Vidar

Das sieht bei den neuen Modellen, die Max Schradin mit seinem dynamischen Helfer Deisenhofer präsentiert, ganz anders aus. Hier wurde ohne Gnade das Design einer erfolgreichen Uhrenmarke gestohlen. Um die rechtliche Seite müssen sich Anwälte kümmern – moralisch aber ist dieser Diebstahl unanständig. Es wird dem durchschnittlichen Käufer von 123tv-Uhren vorgegaukelt, Eigenständigkeit und Kreativität zu bekommen. Das jedoch ist nicht gegeben – für sein Geld bekommt der Kunde ein Design-Plagiat mit Rauchglas-Boden und Mikrodiamant auf dem Zifferblatt.

St. Tropez von hinten: Standardschließe, das Rauchglas und sonst nichts Besonderes. © Vidar

Bei den Uhren selber muss man zudem die Frage stellen, in welchem Land der Swiss Made-Aufdruck auf die Zifferblätter kam. Bei einem Verkaufspreis von bereits vorab kalkulierten 400 Euro und Swiss Made-Werk von Sellita dürfen jedenfalls die restlichen Komponenten die Bank nicht mehr sprengen. Um China dürfte also kaum ein Weg herumführen – wobei clevere Lohnfertiger in der Schweiz längst das Mysterium Swiss Made auch dann möglich machen, wenn praktisch das gesamte Set einer Uhr aus dem Kanton Shenzhen kommt…

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3 Kommentare

  1. …Dieser:“Dr.Strohmayer & 1-2-3Tv.gehören ins Gefängnis!!“
    Nepper,Schlepper,Bauernfänger!!!
    Unmöglich welche Rechtsbrüche permanent toleriert werden!!! :-(((
    Eine Schande
    Trotzdem…Frohe Weihnachten an alle Uhrenfreunde!!!
    mfG
    der Uhrensohn!

  2. Ich muss es kurz loswerden. Die unsäglichen Wortkreationen und -hülsen von Max S. sowie überhaupt die komplette Präsentation mit seiner ganz eigenen „Uhrensprache“ ist kaum auszuhalten. Und bei vielen Aussagen nimmt er es mit der Realität auch nicht besonders genau. Würde mir schon aus Prinzip keine Uhr kaufen die Max und Konsorte vorführt. Denn natürlich sagt ein Angestellter auch viel über die Firma aus, die Ihn beschäftigt. Und damit eben auch über das Produkt. Ich verstehe die wenigen seriösen Hersteller die ihre Uhren hier verkaufen wirklich nicht. So werden diese mit minderwertiger Ware und windigen „Experten“ vermengt.
    Gesehen auf premiumshopping schweiz.

  3. Ich verfolge die 123-Sendungen als abendliche Unterhaltung im (vorab aufgezeichneten) Schnellgang beim Abendbrot. Manchmal bleibt mir da der Bissen im Halse stecken. Unfreiwillig komisch sind vor allem die Marktschreier-Methoden der wesentlichen Protagonisten. Allen voran dieser missratene Arztsohn und der Jungkonfirmand mit dem Pfannkuchengesicht. Oder dieser C-Klasse Schauspieler, der seine angeblich sächsischen „PortaS“ (‚S‘ wie ‚Shenzhen‘) ‚vertickt‘, dabei mit schlecht gelernten Fachbegriffen um sich wirft wie der Streu-Laster das Salz im Winter auf die vereisten Straßen; ‚Vorsicht – Schleudergefahr!‘. Zum Beispiel retrograde nicht von rattrapanten Zeigern unterscheiden kann, den billigen Fake-Droppelunruh-Werken ‚differentielle Gangregulierung‘ attestiert, den billigen Asia-Tourbillons höchste Ganggenauigkeit unterstellt, die diese niemals erreichen (wahre Hersteller-Spezifikation bei HangZhou/PTS: +/-30sek/Tag!) usw.

    Solche Schreihälse hört man eigentlich nur auf der Auer Dult, beim Los- und Autoscooter-Remmidemmi, oder vor’m Karstadt beim Anpreisen von Gemüsehobeln. So sieht TV-Karriere heutzutage aus..
    Schlimm ist aber, dass hier ahnungslose, unbedarfte, vor allem alte Leute abgezockt werden. Ob bei ‚Edel-Pralinen‘ (Norma: <5Euro/kg), besonders langlebigen 'KARBON-' (Zink-Kohle!) Batterien oder diesem vergüldeten Geschwerr am Handgelenk, aus asiatischen Sweat Shops, die sprichwörtliche "Made" in Germany halt..
    Hier auf besagtem Shopping-Kanal wird geflunkert und betrogen, dass sich die Balken biegen. Da wird Sonne-Mond-Klimbim als echte Mondphase bezeichnet, werden chinesische 0815-Böllerwerke aus Tianjin (TY, CH, LB..) als Deutsche oder Schweizer Manufaktur-Werke bezeichnet. Da werden 'Tachymeter'-Skalen beworben, obwohl die Uhr keine zentrale Stoppsekunde besitzt. Dass all diese chinesischen Automatik-'Vollkalender' jeden Monat per HAND weitergeschaltet werden müssen, manche Panoramadatums-Anzeigen bis zum "39." jeden Monats laufen, wird natürlich nicht erwähnt.
    Ein besonders seriös schwärmender Vertreter (für die Firma Constantin Weisz) preist seine 'Deutschen Handarbeits'-Uhren mit überschwänglicher Freude an, verbaut aber u.a. China-Klone des 775x-Kalibers, oder billige asiatische ST1901-Chronos, die es bei AliExpress für einen guten Hunni gibt. Das Wort 'China' meidet er dabei wie der Teufel das Weihwasser.
    Am besten gefiel mir die kürzlich bei 123 vorgeführte GMT-Version von CW. Herr Motz hat da wohl nicht gut aufgepasst beim Druckauftrag in Fernost: "SIDNEY" steht da fett drauf auf der Lünette seiner "edlen" Constantin Weisz Weltzeit-Uhr! Da hat der Gute als bekennender und prahlender Lambo-Fan wohl zu oft im Ruhrpott bei Sidney Hoffmanns Auto-Zirkus 'PS Profis' auf Sport1 zugeguckt..
    Der Begriff 'Zirkus' passt zu diesem Snake-Oil Vertrieb per TV am besten.

    Es ist betrüblich, dass die BonMercato-Clowns nicht juristisch für diese massive Irreführung ihrer 'lieben Kunden' ("Wir wollen nur Ihr Bestes, wir wollen nur Ihr GELD!"), für diese Plagiate, für falsche Spezifikationen und UVP-Preislügen zur Rechenschaft gezogen werden. Ich hoffe, dass Formex hier Erfolg hat, diesem Plagiator-Doktor aus München sein 'Vidar'-Handwerk gelegt wird, offiziell und für ihn teuer. Man schieße ihn bitte per Flux-Kompensator in seinem 'DeLorean' in die weite Ferne, ans andere Ende der Milchstraße in die unerreichbare Zukunft. Dort wartet dann vielleicht der richtige 'Doc' Emmet Lathrop Brown (Christopher Lee) auf ihn…

    Dieses Proll-TV sollte verboten werden, zum Schutz der Allgemeinheit und dem Geldbeutel gelangweilt-geneppter Rentner.

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