Porträt

Porträt: Botta-Design

Beginnen wir diesen Bericht mit einer kleinen Zeitreise: Wir schreiben das Jahr 1998, der Verfasser dieser Zeilen baut den Grundstock einer Uhrensammlung auf. Ein Uhrendesign begeistert ihn spontan bei einem Besuch eines kleinen Uhrenladens im südlichen Deutschland. Die Uhr mit Handaufzug-Werk ETA 2801-2 und einem Gehäuse aus Titan war damals zum Preis von 598 D-Mark zu kaufen – kein Schnäppchen, aber auch nicht übertrieben. Der Hersteller: Watch People. Der Designer: Klaus Botta.

Die neue Botta Design Mondo GMT Automatik neben der historischen Verwandtschaft – der Watch People Handaufzug mit ETA 2801-2. © Thomas Gronenthal

Jetzt schreiben wir das Jahr 2022: Der Verfasser dieser Zeilen ist den Uhren noch immer tief verwurzelt, und die 1998 gekaufte Uhr des Designers Klaus Botta ist immer noch Teil der Sammlung. Seit 1998 hat sie zwei Revisionen, eine neue Zugfeder und drei neue Armbänder bekommen. Aber: Anders als viele andere Modelle ist sie immer noch in der Sammlung. Und hat das Bedürfnis, ihren Schöpfer einmal wiederzutreffen: Den Designer Klaus Botta, der mittlerweile neben seinem Studio für Industriedesign auch unter dem eigenen Namen Uhren baut: Botta Design, zu Hause im schönen Königstein im Taunus.

Bei einem Hausbesuch erfahre ich einiges über den kreativen Prozess, der zu einer Uhr führt, und stelle direkt eine provokante Frage zu meiner Botta aus dem Jahr 1998 : „Würden Sie diese Uhr so noch einmal entwerfen?“ – „Nein.“. Die Begründung hingegen ist kein Missfallen dem damaligen Design gegenüber, sondern vielmehr die natürliche Evolution eines kreativen Geistes und ein Produkt einer Einstellung: „Das Gleiche habe ich in den letzten 35 Jahren noch nie getan“, sagt Klaus Botta. Die Grundmotive aber – organisch-runde Formen und das teilweise komplett umgedrehte Denken einer normalen Uhr, reduziert auf den puren Zweck – prägen die Uhren von Klaus Botta bis heute. Ein Modell ist dabei übrigens in aller Munde und unter vielen Markennamen an Handgelenken: Die Einzeiger-Uhr ist eine Schöpfung von Klaus Botta, wenn sich heute auch andere Hersteller mit diesen Federn schmücken wollen.

Klaus Botta erklärt den Weg zum finalen Zifferblatt – aus 100 Entwürfen bleibt am Ende einer übrig. Aus dem Fenster ist der schöne Taunus zu sehen. © Thomas Gronenthal

Erfinder der Einzeigeruhr

Die Grundidee des einen Zeigers geht auf Überfluss zurück – denn der Designer fühlte sich oft von der Informationsflut einer Uhr von der Zeit abgeschreckt. So wurde die Einzeigeruhr als zentrale Säule des Designkonzeptes geboren. Heute noch sind 12- oder 24-Stundenuhren mit einem Zeiger bei den Kunden von Botta-Design beliebt. Aktuell gliedert sich die Kollektion in vier Kategorien – der Quadrologie, wie Botta es nennt.

© Botta-Design

„Zunächst sind da die Einzeiger-Zwölfstunden-Uhren, die wahrscheinlich am besten die oben erwähnte Gelassenheit und Souveränität ausdrücken – ohne dabei die Sehgewohnheiten zu verlassen. Die perfekte Uhrenserie für den entspannten Umgang mit der Zeit.

Noch etwas unkonventioneller wird es bei unserer zweiten Kategorie, den Einzeiger-24-Stunden-Uhren. Hier muss man etwas umdenken, weil die Stunden anders angeordnet sind, als bei konventionellen 12-Stunden-Uhren. Dafür bekommt man hier eine ausgesprochen natürliche Darstellung des gesamten Tages. Die Skala hat 24 Stunden – genau wie ein Tag auf der Erde. Der Zeiger umrundet das Zifferblatt einmal am Tag – entsprechend einer Erdumdrehung. Mit ihr sieht man den ganzen Tag auf einen Blick. Die passende Uhr für flexible Menschen, die das Unkonventionelle schätzen, aber gleichzeitig auf Logik achten.

Unsere dritte Kategorie versteht jeder sofort – die Mehrzeiger-12-Stunden-Uhren. Dreizeigeruhren im typischen Botta-Design. Klar und logisch strukturiert, funktional, präzise – jedoch mit einem Schuss Raffinesse. Auch sie strahlen Ruhe und Klarheit aus, ohne dass man beim Ablesen der Uhrzeit umdenken müsste.

Die vierte Kategorie, die Mehrzeiger-24-Stunden-Uhren gehen trotz gleicher Zeigerzahl einen etwas anderen Weg. Sie verknüpfen die 24-Stunden-Anzeige mit einer konventionellen Minuten- und Sekunden-Darstellung. Sehr logisch, aber zunächst ungewohnt abzulesen. Für unkonventionelle Menschen mit einem Faible für Technik und Logik.“

Von 100 auf eins: Das Zifferblatt

Der Weg zum Ziel ist dabei kein kurzer. Was mit einer Idee beginnt, braucht mehr als 100 Zifferblattentwürfe bis zu einer Shortlist von fünf bis sechs Finalisten. Gemeinsam mit seinem Team diskutiert Klaus Botta dann, was am Ende wirklich das neue Gesicht einer Uhr werden wird. Auffällig sind dabei stets die Details – ein farbiger Ring zwischen Rehaut und Zifferblatt setzt beispielsweise Akzente. Das bleibt auch in der Design-Welt nicht unbemerkt – Botta und sein Team räumen regelmäßig führende Preise ab, nicht nur für Uhren, auch für die Designs eigentlich langweiliger Technologie-Produkte, die durch die Gestaltung ein ganz eigenes Leben bekommen. „Optimal ist es, wenn der Designer schon beim Start der Produktentwicklung an Bord ist und nicht erst am Ende das technisch fertige Teil zum ‚hübsch machen‘ bekommt“, sagt Klaus Botta.

Diese Uhr fasziniert ebenfalls: Durch die Fenster im Zifferblatt wirkt das Fließen der Sekunde wie ein springender Zeiger – nur wenn der Zeiger das Logo auf drei Uhr durchläuft, wird die Mechanik sichtbar. © Botta-Design

Seine Uhren sprechen dabei genau diese Sprache: Hier ist jedes Detail bedacht, und das löst einen besonderen Prozess aus. Die Uhr in der Hand halten, drehen und wenden und fühlen und sich immer wieder überraschen lassen von vermeintlichen Kleinigkeiten, die das Produkt ausmachen. Ob Uno, Nova oder Tres – nach Erfassen der Grundmotive ist es leicht, ihr Schöpferteam zu erkennen. Neu auf dem Markt ist die Mondo GMT, eine automatische Weltzeituhr mit ETA 2893-A2. Das Uhrwerk mit normalerweise vier Zeigern tritt hier ganz anders auf. Stunde und Minute sind klar und deutlich erkennbar, einen ablenkenden Sekundenzeiger gibt es nicht. An seiner Stelle dreht ein „C“ die Runde, als kleine Scheibe. Die verdeckt nicht nur die Zeigerwellen – und erinnert damit an den Entwurf von 1998 – sondern bringt eben auch Ruhe ins Spiel. Dank einer klaren farblich markierten Skala und des ebenso farbigen GMT-Zeigers ist die zweite Zeitzone optisch getrennt und lenkt ebenso nicht ab. Der Preis: 1.890 Euro, für eine Uhr, die komplett in Deutschland montiert wird, die Teile kommen aus der Bundesrepublik oder der Schweiz. Das kann in dieser Preisklasse eigentlich kaum ein Anbieter einhalten, und in Anbetracht eines Entstehungsprozesses, der zwei Jahre in Anspruch nehmen kann, ist der Preis mehr als günstig.

Das Gehäuse ist „Made in Germany“, das Uhrwerk aus der Schweiz. Eine Besonderheit: Der Boden ist verschraubt, benötigt aber keine Nuten für den Öffner und sorgt so für beste Optik. © Botta-Design

Technik und Formgebung

Botta selber ist ein Tausendsassa, seine Interessen enden nicht bei der reinen Gestaltung. Er studierte zunächst Technische Physik an der Universität Bayreuth und begann nach einigen Semestern sein Studium in Industriedesign und Produktgestaltung an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach. „Professionelle Produktgestaltung beinhaltet eine nicht unerhebliche technische und logische Komponente, ohne die sie auf dem Niveau des Styling und der Oberflächendekoration stehen bleibt. Produktdesign bzw. Industriedesign, wie wir es bei Botta Design verstehen, fußt auf einer sehr konkreten, technisch praktischen Basis. ‚Gutes Design‘ besitzt zudem ein hohes Maß an Logik und Intuition. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, muss man sauber analytisch denken und strukturiert arbeiten können. Diese Art des Denkens und Vorgehens lernt man weniger an klassischen Designhochschulen, sehr wohl aber an technischen Hochschulen“, sagt der Designer dazu.

Der Prototyp der Mondo GMT trägt noch einen „nackten“ Rotor, die Serienversion verfügt über eine individuelle Schwungmasse. © Thomas Gronenthal

Zudem geht Design mit der Zeit – womit wir wieder bei der Eingangsfrage „Würden Sie diese Uhr so noch einmal entwerfen?“ sind. „Ansichten, die vor 100 Jahren als absolut richtig angesehen wurden, können aus heutiger Sicht als komplett falsch gewertet werden – oder umgekehrt. Gleiches gilt auch für Produkte und Konzepte. Systeme, die vor 10 oder 20 Jahren perfekt funktioniert haben, scheitern heute, weil sie nicht mehr zu den veränderten Rahmenbedingungen passen“, sagt Klaus Botta. Ein besseres Beispiel als Apple mit dem iPhone kann man dazu kaum finden, hat es doch das klassische Mobiltelefon komplett revolutioniert – und Tasten wird heute niemand mehr wollen. Daher solle der Designer Veränderungen nicht nur erkennen, sondern auch vorhersehen können: „Produktentwicklung ist ein Stück weit auch immer Zukunftsforschung. Und auch hier zeigt sich wieder die enge Verwandtschaft zwischen Design und Physik. In beiden Disziplinen spielt die Zeit eine zentrale Rolle – nur in etwas anderem Kontext“, so Botta.

In den kommenden Wochen wird die Mondo GMT von Botta Design einer ausführlichen Review unterzogen. Und das Gipfeltreffen der Botta anno 1998 mit dem neuesten Botta-Werk und dem Designer sowie seinem Team hat enormen Spaß gemacht. Wer einmal in der Nähe von Königstein im Taunus weilt, sollte die Chance auf einen Besuch nutzen. Denn hier wird nicht nur „irgendwas mit Design“ gemacht – hier wird eine Idee stets aufs neue gelebt und hinterfragt. Eine Freude!

 

 

You may also like

Kommentarfunktion deaktiviert