Um die Uhr herum

Lieblingswerk: ETA 2824-2

Dieser Artikel fällt unter die Kategorie der persönlichen Vorlieben – und die differieren bekanntlich von Mensch zu Mensch. Seit 20 Jahren bin ich mein eigener Uhrmacher, eine Menge Uhrwerke sind dabei schon durch meine Hände gegangen. Das Valjoux 7750 mit seinen nervenaufreibenden Details wie dem Schwingtrieb für den Antrieb der Stoppsekunde, oder die Feder für den Stopphebel des Stundenzählers unter dem Zifferblatt: Das Werk spricht seine industrialisierte Herkunft aus allen Brücken und Kloben.

Am liebsten arbeite ich an alten Werken. Ein DUROWE, Roamer oder Peseux macht mich froh. Warum? Die Teile fallen fast von alleine bei der Montage an ihren Platz, und die Konstruktion ist service- und uhrmacherfreundlich. Nicht wenige Hersteller tauschen ein 7750 mittlerweile komplett beim Service aus. Geht schneller, und ist letztlich kostenseitig absolut vergleichbar. Und die Gefahr, dass der Kunde mit einer Beanstandung nach dem Service zurückkommt, ist wesentlich kleiner.

eta-tabelleVon allen Werken mag ich aber eines am liebsten: Das ETA 2824-2 und all seine Derivate – die aus eigenem Hause, aber auch etliche von anderen Herstellern, die mittlerweile mit dem ausgelaufenen Patentschutz solide Nachbauten des Schweizer Traktors bauen.

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Ein Werk in Elaboré-Qualität. Hier wurde das 2824-2 für Marcello C mit Zierschliffen auf Brücken und Kloben versehen, der Rotor strahlt im Muster „Genfer Streifen“. ©Zuckerfabrik Fotodesign

Das Uhrwerk basiert auf einer Konstruktion von Eterna aus dem Jahr 1955, dem Kaliber 1427. Das damals mit gemütlichen 18.000 A/h schwingende Werk nimmt die prägnanten Konstruktionsschritte des Räderwerkes vorweg, ebenso das aufgesetzte Automatik-Modul und den Rotor mit dem für Eterna typischen Kugellager. Die ETA nimmt 1971 die Konstruktion und verfeinert sie über die Jahre stetig, ohne jedoch das Grundprinzip der Konstruktion zu verändern. Einige Details zeigen auch deutlich, wie wichtig die Kosten beim Uhrwerksbau wurden: Während die Kaliber der Reihe 2783 noch Datumsscheiben mit aufwendiger Profilform hatten, bestehen sie heute beim 2824 nur noch aus einem gestanzten Messingblech ohne jede stabilisierende Kante.

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Das Uhrwerk ohne Sperrrad und Automatik-Brücke. Alle Bauteile sind großzügig dimensioniert, was für eine lange Lebensdauer und gute Gangwerte spricht. Die Eterna-Basiskonstruktion ist gut zu erkennen. ©Zuckerfabrik Fotodesign

Dennoch ist das Werk für einen Uhrmacher eine bequeme Freude. Es ist schnell zerlegt – der Strip dauert nur wenige Minuten. Die gängigen Verschleißteile sind bekannt – dazu zählen die Wechselräder der Automatik, sowie das Kronrad und sein Gegenlager, die Federhausbrücke. Hier reibt Stahl auf Messing, wenn der Handaufzug benutzt wird. Das Ergebnis ist logisch, sofern nach einigen Jahren der Nutzung die Schmierung nicht mehr wirksam ist. Der Aufzug der Automatik hingegen ist generell sehr effizient – nicht zu vergleichen mit dem schwächlichen ETA 2892. Heute verfügt das Werk über 25 Lagersteine, zu Beginn waren es 17, später 21 – auch abhängig von der jeweiligen Version, die bestellt wurde durch den Hersteller.

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Ein tiefer Einblick in das ETA 2824-2: Zu sehen sind der Anker, das Ankerrad sowie das Sekundenrad. In der oberen rechten Ecke ist das Kronrad und Gesperr zu sehen. ©Zuckerfabrik Fotodesign

Die Reglage ab Werk ist üblicherweise, ja nach Version, nicht den Möglichkeiten des Werkes entsprechend. Auch mit der absoluten Standardversion lässt sich mit einer sorgfältigen Reglage ein sehr gutes Gangergebnis erzielen. Wichtig ist zunächst die Einstellung des Abfallfehlers, der im Idealfall in liegender Lage 0,0 ms beträgt. Danach kann, je nach Reguliervorrichtung (Etachron, oder Rücker bei älteren Werken), die Abweichung eingestellt werden.

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©Zuckerfabrik Fotodesign

Optisch mag das Werk nicht mit den elegantesten Produkten Art mithalten, aber in der Ausführung mit vollen Schliffen, gebläuten Schrauben oder sogar in PVD-schwarzer Beschichtung wirkt das Werk hochwertig und edel. Ein echter Dauerläufer ist es auch – ein guter Gang bei einer Laufzeit von bis zu zehn Jahren ist durchaus normal. Dann allerdings benötigt auch dieser Traktor einen Ölwechsel.

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7 Kommentare

  1. Hallo Herr Gronenthal,
    vielen dank für den sehr informativen Beitrag! Das 2824 ist in der Tat ein absolut zuverlässiger und langlebiger Begleiter. Die Gangwerte bewegen sich auf höchstem Niveau, die Exemplarstreuungen sind äußerst gering. Da gibt es wenig Vergleichbares auf dem Markt. Interessanterweise haben die chin. Clones bzw. auch das STP 1-11 die Federhausbrücke mit einem zusätzlichen Lagerstein versehen, der das von Ihnen skizzierte Verschleißthema bei Original 2824 eliminiert. Überhaupt haben es die Chinesen geschafft, an dieser Stelle mittlerweile vernünftige Qualität zu produzieren. Das wird mittelfristig auch über das Dilemma hinweg helfen, dass ETA keine Ersatzteile mehr an nicht zertifizierte Händler iefert. Aber das ist ein eigenes Thema.

  2. An den Kommentar von P.W. kann ich mich nur anhängen. Ein super Bericht! Danke!

  3. Vielen herzlichen Dank für diesen sehr schönen, lesenswerten Artikel zum ETA 2824. Sein Inhalt hat mich besonders interessiert, weil sich unter meinen Uhren auch zwei mit diesem Werk befinden. Eins veredelt von Mühle, ein anderes geklont von Jaques Lemans. Letzteres wurde in den vergangenen mindestens 15 Jahren hart herangenomme und müsste eigentlich einer ersten Komplett-Revision unterzogen werden… Das würde ich mir sogar zutrauen, zumal es dazu ein tolles Youtube-Video gibt. Aber alleine schon die Beschaffung der verschiedenen Öle bremst meinen Tatendrang 😉

  4. […] Rohwerk (Ebauche) des STP 1-11 basiert auf dem Seagull ST 2100, stammt also aus chinesischem Hause. Die Endmontage erfolgt in der […]

  5. Seit einigen Monaten trage ich täglich eine Swiss Military Hanowa, Modell „Helvetus“ mit einem STP 1-11 Werk. Ich bin von dem Uhrwerk begeistert, es läuft konstant mit ca. +3 Sek. am Tag.

  6. Tolle Beschreibung!
    Folgende Frage: Ich habe mir einen Breitling Transocean Day-Date gekauft und bin erstaunt über die Geräusche des Rotors. Das kenne ich von meinen Rolex nicht. Ist das typisch für dieses Uhrwerk oder hat es einen Defekt?

    Vielen Dank für ihre Antwort

    1. Bei den Rolex-Modellen mit der Kaliberfamilie 35** ist der Rotor auf einer Stahlachse mit Lagersteinen montiert, was zu einem enorm ruhigen Lauf führt. Das Basiskaliber der Transocean Day-Date verwendet jedoch ein Kugellager, das mehr Laufgeräusche macht. Insofern ist es normal, das die Breitling ein wenig lauter ist.

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