Wir können nicht mehr zählen, von welchen neuen Uhrenmarken wir Anfragen zu Tests oder Reviews erhalten. Ob Kickstarter-Crowdfunding oder Direktverkauf, in den letzten Monaten hat die Zahl der neuen, kleinen Uhrenmarken noch weiter zugenommen. Da ist es doch an der Zeit, eine kleine Liste zu machen von der ganz persönlichen Watchthusiast-Hitliste. Dazu haben wir zu dritt in einem informellen Meeting mit einer Flasche Rotwein und drei Pizzen zusammengesessen. Nach mehr als drei Stunden hatten wir ein Ergebnis. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, und manch Uhrenfan mag dagegen protestieren – wir drei haben uns allerdings demokratisch auf diese zehn Marken geeinigt!
Die Optik ist das eine, die Haptik das andere: Wer eine Formex Essence in die Hand nimmt, wird begeistert sein. Außer, das Design gefällt nicht – aber das, was diese Uhr an Qualität mitbringt, ist immens. Ein Stahlband mit verdeckter Doppelfaltschließe, smooth und fein, mit einer integrierten ausklappbaren Verlängerung um ein paar Millimeter – das ist genial, und etwas, das kein anderer Microbrand bisher geboten hat. Selbst etablierte Hersteller schaffen ein solches Paket nicht unter 2.500 Euro, bei Formex kostet die Uhr als Chronometer am Stahlband 1.240 Euro, inklusive Zoll, Versand und allem. Wer auf den COSC-Chronometer verzichten kann, nimmt die normale Essence für 890 Euro am Edelstahlband.
Wer eher auf sportliche Chronographen gepolt ist, nimmt die Formex Element: ETA 7750, Gehäuse aus Stahl mit wahlweise Keramik- oder Stahllünette, und ein Lederband mit Carbonschließe und Weiten-Feineinstellung. Und das für 1.590 Euro. Allen Uhren gemein ist die patentierte Gehäusefederung, die ebenfalls so einzigartig ist.
Die ersten drei Uhren von Tom van Wijlick, der die Marke aus dem Dornröschenschlaf erwachen ließ, waren schon erstaunlich gut. Swiss Made, ETA- oder Selitta-Uhrwerk, feine Verarbeitung und eine außergewöhnliche Zifferblatt-Zeiger-Kombination. Der Name Avantgarde trifft zu, und das im besten Sinne. Einen Schritt weiter geht Lebois & Co mit der Venturist: Bisher traute sich kein Hersteller, seine Uhren bei der Schweizer Timelab als Observatoriumschronometer zertifizieren zu lassen. Denn über die Chronometerprüfung des Uhrwerks hinaus werden hier auch Wasserdichte, Magnetfeldschutz und die Gangreserve geprüft. Damit ist auch klar: Jede einzelne Uhr wird der Prüfung unterzogen, nicht nur das Uhrwerk, wie es bei der normalen COSC-Prüfung der Fall ist.
Wer nicht warten möchte, bis die Venturist lieferbar ist, kann für 1.800 Euro noch wenige Restbestände der ersten drei Avantgarde-Modelle kaufen. Die Venturist kostet 2.500 Euro und kann in einem Paket mit Aktienanteilen des Unternehmens erworben werden. So erhält man eine einzigartige Uhr und ist gleichzeitig Teilhaber einer Uhrenfabrik.
Ich kenne wenige Marken, die eine solche Entwicklung hingelegt haben. Zunächst startete Circula mit Swiss Made-Quarzuhren im klassischen Design der 50er Jahre. Cornelius Huber weckte die Pforzheimer Uhrenmarke seines Großvaters aus dem Dornröschenschlaf. Die zweite Kollektion bringt derweil mechanische Uhrwerke aus Pforzheim an den Start: PUW zählte einst zu den weltgrößten Herstellern von Uhrwerken. Circula fand einen Lagerbestand nagelneuer originaler PUW-Werke und bringt diese in der Heritage-Kollektion an den Start. Bedeutet: Die komplette Uhr ist „Made in Germany“, und das Uhrwerk wurde Ende der 1970er Jahre in Pforzheim – bis heute auch Sitz von Circula – geboren. Mehr geht nicht, wenn jemand eine nachhaltige, wertige Uhr sucht. Neben einem Handaufzug- und einem Automatikmodell zum Preis von 790 Euro bzw. 890 Euro hat Cornelius Huber aber auch an die Kunden gedacht, die weniger Geld ausgeben möchten. Als Klassik-Kollektion bringt er das automatische Miyota 9015 in ein ebenso wertiges wie flaches Gehäuse, beidseitig mit Saphir verglast. Der individualisierte Circula-Rotor wird in Pforzheim gemacht. 390 Euro kostet die Miyota-Automatik: Das ist ein Knallerpreis.
Was da nach einem Vorsegel für Yachten benannt ist, bietet tatsächlich tolle Uhren zum Budget-Preis. Nach Swiss Made braucht dabei niemand fragen – diese Uhren werden in Asien gebaut. Als Antrieb kommt in den Modellen meist Mechanik von Seiko zum Einsatz: Anspruchslos, langlebig und halbwegs präzise. Dabei wird elegant das Vintage-Thema gespielt – die Uhren haben natürlich alle das Thema Wasser in ihren Genen. Die Bradner ist in vielen interessanten Farben zu haben und kostet 285 US-Dollar. Achtung, beim Import werden hier noch Zoll und Steuern fällig: Also plus 19 Prozent Einfuhrumsatzsteuer rechnen!
Die Uhren sind mit Saphirglas, Gehäuse aus Edelstahl, sehr guter Leuchtausstattung und guten Armbändern versehen. Für 350 US-Dollar gibt es die Spinnaker Fleuss am Stahlband – eine gelungene Neuinterpretation des alten Blancpain-Divers.
Nein, nicht die NAVY Seals sind hier gemeint, sondern der Nachname des Gründers. Diese Marke kommt aus den USA und hat bereits vor ein paar Jahren eine ungemein gefällige Uhr im weitergedachten Design von Gerald Genta auf den Markt gebracht. Die Seals Model A ist noch in verschiedenen Varianten für 675 US-Dollar zu haben, als Antrieb der chicen Stahluhr mit integriertem Stahlband kommt ein Miyota 9015 zum Einsatz. Zifferblätter und Zeiger sprechen eine sehr eigene Designsprache. Für 640 US-Dollar bietet Seals mittlerweile die Model C, eine Vintage-angehauchte Uhr mit außergewöhnlichem Design. Zum Einsatz dort kommt ein Sellita SW 200, Swiss Made. Designed in California, by the way: Das hat sich schon bei Apple gelohnt.
Platz 6: Vratislavia Conceptum
Von Kalifornien geht es lückenlos nach Polen: Hier entstehen ein paar Uhren, die mehr als einen Blick wert sind. Dabei ist die Avantgarde einen Blick wert für die, deren Uhren gerne auch mal eckig sein dürfen. Das Design ist tatsächlich nahe den 20er Jahren, mit einem wunderbaren Zifferblatt. Leichte Anklänge zu einer Jaeger-LeCoultre Reverso werden wach. Als Werk kommt passend ein Handaufzugskaliber zum Einsatz, das Miyota 6T33 in vergoldeter Ausführung. Es ist wahrlich kein Augenschmaus, passend zum Thema der Uhr wäre diese Tatsache besser hinter Stahl statt Glas verborgen geblieben. Für 350 US-Dollar inklusive Versand dennoch eine Überlegung wert, zumal Polen in der EU liegt und damit die Einfuhr nach Deutschland ohne Extrakosten möglich ist.
Mit 40,5 Millimetern Durchmessern ist das neueste Modell von Vratislavia im Rennen: Die Royal Europe. Trotz des europäischen Namens hat die Uhr Anklänge an Uhren von Grand Seiko, mit verspielten Gehäusenuancen und einem herrlichen Zifferblatt. Für 440 US-Dollar kommt die Uhr nach Hause, als Antrieb kommt ein Miyota 9015 mit 28.800 A/h zum Einsatz.
Diese Marke kommt aus Frankreich, und sprengt die sonst übliche Preisklasse von Microbrands. Dafür bietet die Marke ein paar Leckerbissen, die vor allem durch ihre Zifferblätter auffallen. Titan, Meteoritenmaterial, von Hand ausgeführte Guilloche oder transparent. Fast alles kann hier realisiert werden. Die SB04 Meteorite kostet so 2.500 Euro mit einem Zifferblatt aus Meteoritengestein, und einem umgebauten Sellita SW 200. Hier wurde eine gebläute Schwanenhalsregulierung verbaut, die das Werk sehr aufwertet. Für 700 Euro gibt es die SB02 mit einem Miyota 8215 – also auch der schmalere Geldbeutel wird bedient!
Hier wird es bunt – deswegen ist das Motto von John, dem Martenero-Gründer auch „Tradition refreshed“. Die Uhren sind mechanisch, wohl proportioniert und gestaltet und fallen vor allem durch die Zifferblätter auf. Die Edgemere Reserve ist farblich interessant und bietet neben der Gangreserveanzeige auch eine 24-Stundenanzeige und ein Datum. Das mehrlagige Zifferblatt ist ein echter Hingucker und wirkt in allen Farbkombinationen harmonisch. Als Antrieb kommt ein Miyota 9132 zum Einsatz, für 695 Euro kommt die Uhr nach Hause, sofern man beim europäischen Händler Watchbandit bestellt. Für 595 Euro gibt es die Kerrison mit drei Zeigern, die ebenso harmonisch und farblich abseits der Masse daher kommt.
Aus Berlin kommen die Uhren, die nach Otto Lilienthal benannt sind. Tatsächlich bietet die Marke interessante Uhren, die meist mit Quarzwerk kommen. Die Zeitgeist Automatik aber nutzt ein Sellita SW200, um die drei Zeiger anzutreiben. Mit einem personalisierten Rotor gefällt das Werk, das Stahlgehäuse ist ohne Kanten und Fugen und gefällt durch diese Flusskiesel-Attitüde. Bei jedem Teil der Uhr ist sichtbar, das sich die Designer Gedanken gemacht haben und bestehende Baukästen ignoriert haben. Die günstigste Variante kostet 499 Euro und ist jeden einzelnen davon wert.
Auch diese Marke kommt aus Frankreich, nicht die einzige in dieser Auflistung. Wer auf den Vintage-Look von klassischen Taucheruhren und Chronographen steht wird hier fündig. Die Baltic Aquascaphe kommt mit doppelt gewölbtem Saphirglas, Sandwich-Zifferblatt, einer Lünette aus Saphirglas, Schraubkrone und dem robusten wie präzisen Miyota 9039 mit 28.800 A/h. 579 Euro kostet die Uhr aktuell, als Armband gibt es Edelstahl oder ein Tropic-Gummiband zur Wahl.
Die Baltic Bicompax ist ein reinrassiger Chronograph mit herrlich gewölbtem Glas, und dem schön anzusehenden Seagull ST 1901. Das Werk aus chinesischer Fertigung basiert auf dem Venus 175 aus der Schweiz, wurde aber über die Jahre umfassend überarbeitet. Für 540 Euro ist diese Uhr zu haben.
Die Flasche ist leer. Ein paar Brands sind aber noch übrig – wenn die Liste mal eine Top15 wird, kommen noch Sternglas, auf jeden Fall Nimbus (Jungs, wir warten auf die neue Version der Spektra!!), Vintro (dieser Chronograph macht starten und stoppen zum Vergnügen), Kronhauser (Review des neuen Modells kommt bald!), Outsiders – und bestimmt noch einige mehr dazu. Vielleicht, bei einer Kiste Wein, schaffen wir auch eine Top50….