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Keramik: Hart und zerbrechlich

Der Innovationsdruck in der Uhrenindustrie ist groß – bei schwächelnden Verkäufen bleibt für zahlreiche Hersteller nur die Flucht in Modelle mit extrem hohem Innovations- und damit Wiedererkennungswert. Nahezu inflationär haben in den vergangenen Jahren Modelle aus Keramik den Uhrenmarkt erobert. Die glänzenden oder matten Gehäuse in schwarz, weiß oder grau erfreuen sich hoher Beliebtheit, denn das Material gilt als extrem hart und kratzfest. Keramik kann also das Geheimnis ewiger Schönheit sein – fast wie man es von Omas Kaffeegeschirr gewohnt ist.

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Rolex GMT und Bruchstücke der Lünette aus Cerachrom.

Tatsächlich haben beide Materialien eines gemeinsam. Ob Keramik- oder Porzellan, die Werkstoffe sind extrem hart. Aber auch spröde: Fällt die Tasse auf den Boden, bringt sie Glück – und Scherben. Das gilt auch für Uhrengehäuse aus High-Tech-Keramik. So gerne die Uhrenindustrie auf Erlebnisse der splittrigen Art verzichten möchte: In Foren nimmt dir Zahl der Geschädigten zu. Die Kosten indes sind enorm: Neue Gehäuse schlagen gerne mit dem halben Neupreis der jeweiligen Uhr zu Buche.

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Panerai mit gesplittertem Schutzbügel.

Der Werkstoff ist heute meist Zirkonoxidkeramik. Das Basismaterial geht zurück in das 16. Jahrhundert, als Martin Klaproth das Zirkonium entdeckt. Im Rahmen seiner Analysen erforschte der deutsche Chemiker die Hintergründe des chemischen Elements aus der Klasse der Metalle. Zur Verarbeitung des Metalls ist eine chemische Umwandlung nötig: Das Brennen. Damit ist auch der Brückenschlag zur Keramik erledigt, auch diese muss gebrannt werden. Der Vorgang des Brennens sorgt für die Aufnahme von Sauerstoff, es bildet sich Zirkoniumdioxid. Damit ist der Ausgangsstoff für die harten Uhren gefunden. Das dauert allerdings bis in die 1970er Jahre, in denen die beiden Pioniere Rado und IWC mit der Forschung und Entwicklung begannen. 1986 wird die DiaStar Integral von Rado präsentiert, mit einem Armband aus kratzfesten Keramik-Komponenten. Erst drei Jahre später gelang auch die Fertigung von Gehäuse und Krone, die DiaStar Ceramica war geboren.

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Die Folge eines Schlages auf das Bandhorn: Es ist komplett abgebrochen bei dieser IWC Top Gun.

Im Herbst 1986 stellte IWC die Da Vinci in Schwarz vor. Das Keramikgehäuse mit Goldappliken war schwer zu fertigen, setzte jedoch schnell einen Trend. Auch die hohe Wiedererkennbarkeit sorgte für einen Siegeszug, der sich heute auch bei Omega, Panerai, Hublot oder Rolex fortsetzt. Die Verarbeitung erfolgt durch Press- oder Spritzgußverfahren. Beim anschließenden Back- bzw. Sinterprozess werden die Bestandteile verdichtet und bei extrem hohen Temperaturen von bis zu 1.500 Grad verarbeitet. Das modernere Verfahren ist das CIM, Ceramics Injection Molding. Das Spritzgussverfahren lässt auch besondere Gehäuseformen und –profile zu. Später wird die Keramik poliert und erhält ihre endgültige Optik.

Ob ganze Gehäuse oder nur Lünetten: Der keramische Werkstoff wird gerne gekauft, und für die Uhrenträger bietet das harte Material vermeintlich nur Vorteile. Sämtliche hier in diesem Beitrag gezeigten Beispiele von durch Gehäuseschäden betroffenen Uhrenbesitzern entstanden durch Sturz oder Schlag, die jeweils nicht übermäßig stark waren. Eine Fallhöhe von circa 60 Zentimetern würde bei einem Gehäuse aus Stahl oder Titan je nach Untergrund eine kleine Delle oder Einkerbung hinterlassen. Keramik allerdings springt, das Gehäuse ist unwiederbringlich defekt. Die Reparaturkosten sind dabei immens. Bei einer Omega Speedmaster Dark Side of the Moon beträgt der Preis für das Gehäuse inklusive Austausch mehr als 50 Prozent der gesamten Uhr – wohlgemerkt im Neuzustand! Angerechnet auf eine gebrauchte Uhr ist der Schaden noch deutlich größer.

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Kleiner Schaden, große Kosten: Hier ist um den Federsteg der Armbandbefestigung Material ausgebrochen. Auch in diesem Fall ist ein neues Gehäuse nötig. Uhr: IWC Top Gun Chronograph.

Bei aller Härte sollte also klar sein, dass keramisches Material auch spröde ist. Wo andere Materialien lediglich eine Verformung davontragen, wird Keramik immer springen oder brechen. Das sollten Käufer und Bewunderer im Hinterkopf halten: Steinböden, Parkett, Türkanten und ähnliches können böse enden. So ganz ideal wie die Industrie weismachen möchte sind die Werkstoffe also nicht….

(Die Bildrechte liegen bei den jeweiligen Eigentümern. Im Zuge der Recherchen wurde das Bildmaterial von unterschiedlichen Quellen genutzt, um reale Fälle zu dokumentieren.)

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Auch hier ein massiver Bruchschaden, der dank des modularen Gehäuses von Hublot jedoch deutlich günstiger zu beheben ist.

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8 Kommentare

  1. Die Preise für ein Austauschgehäuse aus Keramik sind total überzogen. Ich schätze die Herstellkosten max. auf 20 Euro – 50 Euro.

    1. So niedrig sind die Kosten nicht. Für diesen Preis kann man in Asien ein Gehäuse aus Edelstahl in bester Qualität herstellen, aber kein Keramik-Gehäuse. Dennoch, ein Preis jenseits von 1.000 Euro inkl. Austausch ist sicher mit einer Gewinnspanne verbunden….

      1. Hallo Thomas, doch sind sie. Ich lasse selber in China Keramikschmuck produzieren. Bei einer Stückzahl von unter 500 Stück entstehen Werkzeugkosten von max. 600 USD. Bei größeren Stückzahlen entfallen diese weil sie in die Stückkosten eingepreist werden In unserem Fall produzieren wir Ringe und Anhänger. Diese werden noch gebohrt und zusätzlich bekommen sie noch eine Ausfräsung und kosten inkl. Laserung von Marke und Ringgröße um die 5 USD. Bei Uhrgehäusen wird mehr Material benötigt. Deshalb habe ich einen höheren Betrag angesetzt.

        1. Robby, Du kannst nun wirklich einen Ring nicht mit einem Gehäuse bspw. einer Hublot vergleichen. Um ein Uhrengehäuse zu verschließen, ist eine ganz andere Präzision nötig als bei einem Ring. Das gilt für eigentlich alle Gehäuse dieser Art. Und nicht zu denken an Anbauteile wie Krone, Drücker, etc. – das kommt noch dazu. Ich habe auch gute Kontakte zu Produzenten in Asien, und kenne die Preise dort. Zumal es ungefähr 5 Qualitätsstufen gibt. Bei einer Emporio Armani magst Du mit 50 Euro hinkommen, bei den hier gezeigten Uhren ganz sicher nicht. Lass uns bei unseren jeweiligen Professionen bleiben: Ich die Uhren, Du den Schmuck.

  2. Nicht nur die Preise für Keramik-Gehäuse sind deutlich überhöht. Selbst die Durchführung ganz normaler Service- und Wartungsarbeiten hat ein Kostenniveau erreicht, welches schlichtweg als nicht mehr akzeptabel und nachvollziehbar eingestuft werden muss. In der Automobilindustrie würden die Verbände und Verbraucherschutzorganisationen längst Sturm laufen. Bei der Uhrenbranche ist die Interessenlage jedoch deutlich weniger ausgeprägt und der Kunde immer noch erstaunlich leidensfähig. Es hat aber auch hier ein Änderungsprozess eingesetzt. Die rückläufigen Verkaufszahlen sind mit ein Ausdruck der Unzufriedenheit der Kunden zu diesem Thema.

    1. Absolut korrekt. Allerdings erhält man heute auch Uhren aus der Herstellerwartung mit einem anderen Grad an Perfektion. Der Vergleich zu den Automobilen hinkt allerdings – alleine die Kosten für einen Liter Motorenöl beim Konzessionär verglichen mit dem freien Markt zeigen das. Es geht letztlich um Maximierung des Profites. Und dann kostet die Überholung eines Zifferblattes schnell 800 Euro…. Und ein Werksservice ebenso. Hinzu kommt noch die restriktive Ersatzteilpolitik, die vielfach dafür sorgt, das ein freier Uhrmacher kaum noch etwas machen kann. Umso mehr sind also Alternativen mit Chancen versehen. Mehr denn je, würde ich sagen!

  3. Das Keramik bei Uhren auch sehr empfindlich gegenüber Fallschäden ist, wusste ich nicht. Aber wie geschrieben, bringen Scherben ja auch Glück 🙂
    Der Vorteil liegt für mich an der Kratzfestigkeit und am Tragekomfort. Es ist aber auch eine sehr gute Alternative für Allergiker, anstelle von Edelstahl oder Leder bei Armbändern.

    1. Titan ist auch antiallergisch, insofern auch eine metallische Alternative – allerdings auch schwer zu bearbeiten…

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