Gefälschte LuxusuhrenNeues aus der Uhrenwelt

Blockchain gegen Plagiate

Die Uhrenindustrie ist nicht für eine besondere Dynamik bekannt – zumindest nicht in der Schweiz oder Deutschland. Derweil ist man in China einen Schritt weiter – gefälscht wird alles, und das in einer Art und Weise, die selbst den Originalherstellern das Erkennen eines Plagiats schwer macht. Nachgemachte Box, Papiere und selbst Rechnungsfälschungen sind ebenso Alltag geworden.

Uhrenliebhaber können ihre Sammlung digital ablegen. © Adresta AG

Themen wie Blockchain und Digitalisierung werden bei den Herstellern der Luxusuhren von Weltruf eher vorsichtig angepackt. Ein Schweizer Unternehmen will das nun ändern: Die Adresta AG gibt einer Luxusuhr den digitalen Fingerabdruck, idealerweise ab dem Zeitpunkt der Fertigung beim Hersteller. Bedeutet: Die Uhr wird umfassend dokumentiert, wie sie das Herstellerwerk verlässt. Hochauflösende Bilder, Seriennummern, Ausstattung – alles das wird so festgehalten, dass es nachträglich nicht mehr verändert werden kann. Damit bekommt ein Luxusprodukt eine digitale Identität, die mit jedem Besitzerwechsel auch mitgegeben wird. Durch die Dokumentation ist jederzeit prüfbar, ob die Uhr noch genau dem ursprünglichen Zustand entspricht, oder ob etwas verändert wurde. Für die Hersteller und Kunden bedeutet das ein neues Maß an Sicherheit zur Echtheit und Vergangenheit einer Uhr. Denn sowohl gestohlene Uhren fallen sofort auf, aber auch Änderungen wie der Einbau eines anderen, möglicherweise gefälschten Zifferblattes. Zudem lässt sich der Weg einer Uhr genau verfolgen – fehlende Verzollung oder andere Probleme können sofort identifiziert werden.

Anhand der Uhrendetails und Fotografien kann jederzeit der Originalzustand geprüft werden. © Adresta AG

Was ist aber diese Blockchain? „Eine Blockchain ist eine kontinuierlich erweiterbare Liste von Datensätzen, „Blöcke“ genannt, die mittels kryptographischer Verfahren miteinander verkettet sind. Jeder Block enthält dabei typischerweise einen kryptographisch sicheren Hash (Streuwert) des vorhergehenden Blocks, einen Zeitstempel und Transaktionsdaten.“ So definiert Wikipedia das Prinzip.

Der Vorteil: Die Daten sind dezentral gespeichert, verschlüsselt und somit absolut fälschungssicher. Ein einmal angelegter Datensatz kann zwar erweitert und der Zugriff kann weitergegeben werden, verbleibt aber immer „im Geheimen“ und kann so nicht verfälscht werden. Jede versuchte Verfälschung würde durch das Prinzip sofort auffallen. Der digitale Fingerabdruck einer Uhr, eines Autos, eines Gemäldes oder jedes anderen Gutes bleibt also erhalten und ermöglicht jederzeit die Identifikation des Gegenstandes anhand seines digitalen Zwillings.

Das Gründerteam: v.l.n.r. Mathew Jobin Chittazhathu, Nicolas Borgeaud, Leonie Flückiger, Max Christian Biegert. © Adresta AG

Der Ursprung von Adresta liegt im internen Kickbox-Programm der Helvetia Versicherung – denn auch für die Versicherbarkeit von Luxuswaren bietet der Fingerabdruck enorme Vorteile. In der Blockchain wird also die gesamte „Provenance“ hinterlegt – der Begriff kommt eigentlich aus der Kunstszene und belegt den Weg eines Gemäldes seit seiner Erschaffung. Je mehr Historie, desto wertvoller ist das Gemälde und desto geringer die Gefahr einer Fälschung. Im Falle einer Uhr müsste ein Fälscher also jedes Detail einer einzelnen Uhr kopieren – ein immenser und nicht leistbarer Aufwand. Die Gefahr für ge- oder verfälschte Uhren wird damit auf Null reduziert.

Im Luxusuhrenmarkt könnte das eine Revolution auslösen – denn bequem per App haben Besitzer einer Uhr Zugriff auf die Bilder, alle Fakten zur Historie – bei Weiterverkauf, der Zollübergang, die Verlustmeldung oder der Vererbung ein immenser Vorteil.

Auch Hersteller profitieren – nicht nur wird ein unkontrollierter Graumarkt erschwert, auch entwickelt sich ein neues Verhältnis zwischen dem Kunden und dem Unternehmen. Service ist das Zauberwort – nicht nur für die Uhr, sondern auch eine Community. So verbinden sich Prozesse mit Emotionen und der Markengeschichte, die der Besitzer digital über sein eigenes Smartphone miterleben kann.

© Adresta AG

Neben den neuen Uhren bietet das System von Adresta auch Vorteile für den wachsenden und von Herstellern immer mehr integrierten Pre-Owned-Markt. Uhren aus Vorbesitz, die vom Hersteller aufbereitet und weiter vertrieben werden, erhalten so ebenso den digitalen Fingerabdruck. Es scheint also, als gäbe es erstmals eine probate Lösung, die Uhrensammlern und Herstellern eine echte Chance auf lückenlose Provenance der schützenswerten Güter gibt.

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2 Kommentare

  1. Das Geschäft der Fälscher in Deutschland wird immer schwerer, erst bricht die Möglichkeit weg über England zu versenden, jetzt kommt auch noch Blockchain. Und für den watchthusiast und uns Leser fällt ein spannendes Thema aus. Bisher haben die Plagiate jedoch immer einen Weg an die Handgelenke gefunden. Sie werden uns sicherlich weiter auf dem Laufenden halten.

    1. Noch muss sich das Modell ja durchsetzen über die Blockchain – eine Weile werden uns die Fälscherbuden noch in Atem halten….

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