Review & Test

Review: Lebois & Co Venturist Chronometer

Zugegeben, es gibt bei den Microbrands einige, die ich seit Jahren beobachte. 2016 habe ich einen Artikel über eine kleine, aber feine Auswahl von kleinen Marken für das Uhren-Magazin geschrieben. Dabei: Lebois & Co, eine Uhrenmarke, die 1934 durch die Familie Dodane gegründet wurde. 2014 weckte ein niederländischer Uhren-Enthusiast die Marke neu. Tom van Wijlick und seine Frau übernahmen die Namensrechte und entwickelten die Avantgarde-Kollektion, die den Neustart markieren sollte. Mit der Venturist kam eine zweite Kollektion auf den Markt und setzt Zeichen: Alle Uhren durchlaufen ein 21-tägiges Testprogramm bei Timelab in Genf.

Timelab ist eine unabhängige Schweizer Stiftung, die unter der Autorität des Kantons Genf arbeitet. Neben der Norm Observatoire Chronométrique+ ist Timelab auch zuständig für die strenge Einhaltung der Poinçon de Genève (Genfer Punze), die nur wenige Uhrenmarken führen dürfen. Die Prüfung als Observatoire Chronométrique+ ist weit strenger als die Tests gemäß ISO 3159, den die Schweizer C.O.S.C. nutzt.

OC+ geht neben der Prüfung der Gangwerte auf Chronometer-Werte noch weiter. Dazu werden die kompletten Uhren untersucht, auf die angegebene Gangreserve, Wasserdichte und Magnetresistenz. Nur bei voller Erfüllung der Vorgaben darf die Uhr den Titel „Observatoire Chronométrique+“ tragen.

© Thomas Gronenthal

Idealmaße

Wenn eine Uhr so getestet wurde – was bleibt mir da noch übrig in einer Review? Erst einmal das Gehäuse: Edelstahl, hochwertig verarbeitet, polierte und mattierte Flächen wechseln sich ab. Die gestufte Lünette ist mattiert und poliert und verleiht der Uhr einen edlen Lüster. Scharfe Kanten sucht man vergeblich, und die Maße der Uhr sind ideal für den Alltag. Bei einem Durchmesser von 41 Millimetern ist die Venturist nur 10,5 Millimeter hoch. Durch die tief heruntergezogenen Bandanstöße schmiegt sich sich an das Handgelenk und sitzt überaus bequem. Der Boden ist mit einem Vollgewinde verschraubt, die Krone ist nicht verschraubt – die Wasserdichte beträgt dennoch 100 Meter. Für die Bedienung ist zudem die nicht verschraubte Krone von Vorteil.

© Thomas Gronenthal

Exzellentes Zifferblatt

Das Sahnestück der Uhr ist definitiv das Zifferblatt. In mattem schwarz präsentiert es die aufgesetzten und rhodinierten Indexe und Zahlen wirkungsvoll, ein kreisrund guillochierter Ring trägt die Appliken und verleiht dem Zifferblatt weitere Tiefe. Die Verarbeitung ist exzellent. Die Zeiger passen dazu – und sind keine Katalogware eines großen Zeigerherstellers, sondern extra für diese Uhr produziert. Sie sind von idealer Länge und trotz der grazilen Erscheinung perfekt abzulesen. Dank Super-LumiNova BGW9 ist die Ablesbarkeit auch im Dunkeln sehr gut – und schön: Die Leuchtmasse ist blau und bringt etwas Farbe in die Nacht. Dank des entspiegelten Saphirglases kommen sowohl das Blatt wie auch die Zeiger ideal zur Geltung. Eine rundum schöne Uhr!

Auf ein Datum wurde zugunsten der Zifferblatt-Balance verzichtet – kein Verlust, denn hier steht die Zeitanzeige im Vordergrund, und das mit größtmöglicher Präzision.

Die Krone ist graviert mit dem Lebois & Co-Logo. © Thomas Gronenthal

Eine langweilige Gangprüfung

Als Antrieb setzt Lebois & Co auf das Sellita SW 200-1, das in der besten Variante eingebaut wird. Neben den Chronometergangwerten ist es mit Genfer Streifen, Perlschliff, gebläuten Schrauben und eine gravierten Rotor versehen. An der Hemmung ist klar erkennbar: Hier tickt eine Chronometerunruh. Und das zeigt sich auch bei der Gangprüfung – eine der langweiligsten, seit es den Watchthusiast gibt. In jeder Lage arbeitet die Uhr bei Vollaufzug innerhalb der Chronometernorm, am Arm getragen ist über eine Woche eine maximale Abweichung von einer Sekunde zu verzeichnen. Auch die Amplitude ist passend – mit nur geringen lagebedingten Schwankungen, und der Abfallfehler ist mit zwischen 0 und 0,1 ms ebenfalls hervorragend reguliert. Abgesehen davon spürt man die Qualität des Uhrwerkes auch beim Handaufzug: Im Vergleich zu anderen, Nicht-Chronometer-Versionen des Sellita SW 200, arbeitet dieses hier weicher und angenehmer. In Summe haben der Hersteller und der Regleur ihre Arbeit hier sehr ernst genommen.

Die Chronometer-Unruh. © Thomas Gronenthal

Band & Schließe

Zwei Optionen gibt Lebois & Co den Uhrenkäufern auf den Weg: NATO in der qualitativen Seatbelt-Version, und ein hochwertiges Shell Cordovan-Lederband. Das Pferdelederband ist flach, nicht gepolstert, und passt so bestens zur Uhr. Das Lederband und das formschöne Gehäuse lassen die Uhr regelrecht mit dem Handgelenk verschmelzen. Das NATO-Strap ist hingegen eher für den Strandausflug passend und macht die Uhr noch „tooliger“. Dank beigelegtem Wechselwerkzeug kann der Bandwechsel in wenigen Minuten vorgenommen werden. Ein Lederband mit Schnellwechselstegen würde sicher in Zukunft noch Sinn machen. Eine mit dem Markenlogo gravierte Dornschließe aus Edelstahl sichert das Band am Arm.

© Thomas Gronenthal

Watchthusiast-Fazit:

Wenn an dieser Uhr ein Preisschild von 3.500 Euro stehen würde – ich würde es akzeptieren. Lebois & Co als Microbrand hat hier eine wirklich gelungene Uhr auf den Markt gebracht, die nach den strengsten Normen getestet ist. Das trauen sich nur wenige Hersteller – denn in den 21 Tagen Test in Genf darf nichts schiefgehen. Eine Schwankung, und die Uhr geht ohne Zertifizierung zurück an den Hersteller.

Tatsächlich kostet die Venturist nur 2.500 Euro – ein mehr als fairer Preis für ein Produkt, dass nicht in Massen produziert wird und zudem neben dem Design auch technische Perfektion mitbringt. Hinzu kommt noch die Möglichkeit, ein Investoren-Paket zu kaufen: Dabei übernimmt der Uhrenkäufer auch Aktien der Marke und kann sich aktiv an der Zukunft von Lebois & Co beteiligen. Die Venturist Chronometer ist  jeden einzelnen Euro wert, und Lebois & Co steht weiter auf meiner Favoritenliste für Microbrands ganz oben.

Geschwister: Die Avantgarde (rechts) und der Venturist Chronometer zusammen. Gut zu erkennen ist der Unterschied zwischen einem entspiegelten und nicht entspiegelten Saphirglas. © Thomas Gronenthal

 

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