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Review: Yonger & Bresson Automatique La Boissière YBH 8343-01

Unter den Uhrenmarken gehört Yonger & Bresson zu den jungen – und vor allem im deutschsprachigen Raum sehr unbekannten Marken. 1975 wird das Unternehmen in Morteau in Frankreich gegründet. Die Stadt ist tatsächlich ein traditioneller Standort der jurassischen Uhrenindustrie, die in den Gebieten seit Jahrhunderten über die Grenzen der Schweiz auch in französische Städte schwappte. Seit einigen Jahren rühmt sich das Unternehmen, gemeinsam mit der Markenmutter Ambre und der Schwestermarke Yema ein eigenes Uhrwerk entwickelt zu haben. Das Ambre MPB1000 ist in drei Varianten zu haben und wird laut Angaben der Marke komplett in Frankreich remontiert. Die Firma Montres Ambre S.A. ist der Hersteller, gegründet 1965 als Hersteller von Private Label-Uhren. Seit 1990 ist Ambre Inhaberin der Marke Yonger & Bresson, seit 2009 ergänzt Yema das Portfolio. Beide Marken nutzen das eigene Kaliber.

© Thomas Gronenthal

Die getestete Uhr ist das Modell La Boissière YBH 8343-01 mit einem Durchmesser von 42 Millimetern und einer Höhe von 12 Millimetern. Das Design ist sehr klassische gehalten und bietet einige Details, die diese Uhr sehr ansehnlich machen.

Gehäuse & Band

© Thomas Gronenthal

Das Gehäuse der Yonger & Bresson besteht aus Edelstahl, komplett poliert. Der Boden der Uhr ist verschraubt und sitzt nahtlos in seinem Ausschnitt. Der Boden ist aufwendig graviert und zeigt einige Informationen über das Modell: Das Mineralglas ist entspiegelt, die Uhr ist wasserdicht bis 50 Meter Tiefe. Die Krone ist nicht verschraubt, sehr gut zu greifen und mit dem Markenlogo versehen. Das Armband ist mit Alligatorprägung versehen und fällt etwas ab im Vergleich zum Gehäuse. Als Bonus ist es mit einer Doppelfaltschließe aus Edelstahl versehen, die sogar mit dem Markennamen versehen wurde. Insgesamt eine ordentliche Qualität, die auch einer genaueren Überprüfung standhält.

© Thomas Gronenthal

Zifferblatt & Zeiger

Das Zifferblatt kommt sehr klassisch daher, die Mitte ist in Waffelmuster geprägt, die Indexe sind appliziert. Die Zeiger für Stunde und Minute sind mit Leuchtmasse versehen, der Sekundenzeiger trägt als Gegengewicht das Kronenlogo von Yonger & Bresson. Die Verarbeitung ist einwandfrei, einzig wäre eine durchgehende Minuterie schön gewesen und passend dazu etwas längere Zeiger. Die aktuelle Länge ist optisch und praktisch zu kurz….. Als elegante Abenduhr oder den Daily Rocker mit Jeans ist diese Uhr aber dennoch eine gute Wahl. Die Datumsanzeige sitzt auf sechs Uhr, das Fenster beschneidet nicht die aufgesetzte Ziffer. Die Datumsscheibe trägt sogar eine eigene Schriftart, was der gesamten Uhr gut steht und den Gedanken der eigenen Fertigung unterstreicht.

Werk & Gangwerte

Das Ambre MPB1000 stamme aus eigener Fertigung, sagt Yonger & Bresson. Auf den ersten Blick hat das Werk auch nichts gemein mit anderen Uhrwerken auf dem Markt. Die Brücken und Kloben sind mit Perlage verziert, der Rotor ist graviert und PVD-beschichtet. Die technischen Daten sind interessant: Der Durchmesser beträgt zeitgemäße 12 ½ Linien, also 28 Millimeter. Die Höhe beträgt fünf Millimeter inklusive Rotor. Die Schwungmasse zieht beidseitig über Klinkenräder auf, über die Krone kann die Zugfeder ebenso gespannt werden. Die Zentralsekunde ist mit Sekundenstopp, die Gangreserve beträgt mehr als 40 Stunden. Das Kaliber soll über 30 Lagersteine verfügen, die Unruhfrequenz ist mit 28.800 A/h (Halbschwingungen pro Stunde) als Schnellschwinger angelegt.

© Thomas Gronenthal

Bei einem genaueren Blick fällt eine deutliche Ähnlichkeit zum ETA 2824-2 auf – weniger die Architektur als mehr die einzelnen Räder und Triebe. Sowohl der automatische Aufzug wie auch das Räderwerk weisen diese Ähnlichkeiten auf – es scheint, als sei die Anordnung der Räder komplett verändert worden, und der Durchmesser erhöht. Tatsächlich sind aus diesem Grund zusätzliche Räder für das Datum und den Handaufzug nötig.

Gut zu sehen: Die baugleichen Teile von ETA.

Mit einer Explosionszeichnung des Ambre MPB1000 und ein paar originalen ETA-Teilen machen wir uns an das Experiment: Tatsächlich sind die Teile wie Sekundenrad, Stopphebel und sogar der Ankerkloben komplett austauschbar. Es handelt sich also tatsächlich um ein architektonisch und optisch komplett verändertes ETA 2824-2 bzw. einen der Nachbauten. Von den Bauteilen her passt Seagull als Vermutung recht gut.

Diese Methode ist übrigens keine Seltenheit – auch namhafte Uhrenhersteller greifen auf einen bestehenden Radsatz zurück, der für ein neues Werk anders angeordnet wird.

Wie schlägt sich das Werk denn im Alltag? Tatsächlich sind die Gangwerte hervorragend, unter fünf Sekunden Vorgang am Arm und in jeder Lage auf der Zeitwaage sind Top-Werte. Auch die Gangreserve ist entsprechend hoch wie angegeben. Das Uhrwerk lässt sich per Hand butterweich aufziehen, Zeit und Datum lassen sich ebenso gut einstellen. Das Bediengefühl ist wertig.

 

Watchthusiast-Fazit:

Yonger & Bresson: Was vom Namen erstmal nichts sagt, ist ab Werk für 299 Euro zu haben. Aktuell kostet die La Boissiere mit beigem Zifferblatt (Ref. YBH 8343/55) sogar nur 149,50 Euro im Online-Shop von Yonger & Bresson. Kaum zu glauben. Ein eigenes Uhrwerk für diesen Preis? Selbst 299 Euro wäre noch geschenkt. Es darf höflich bezweifelt werden, das die Komponenten in Frankreich gefertigt werden – damit wäre der Preis der Uhr kaum zu halten. Eher kommen die Komponenten aus Asien und werden in Frankreich montiert. Wie man es auch immer dreht: Selbst unter dieser Voraussetzung ist die Uhr ein Schnäppchen. Zumal es auch noch andere Varianten gibt, die kaum mehr Geld kosten. Vielleicht ein echter Geheimtipp, die Uhren von Yonger & Bresson. Zumal ein findiger Uhrmacher im Fall eines Schadens schnell verstehen könnte, das viele Standardteile aus dem ETA-Regal und gängiger Nachbauten für viele Baugruppen des Ambre-Werkes genutzt werden können. Wer allerdings nicht auf diese Idee kommt, steht mit der Uhr etwas im Regen, denn ein Händlernetz in Deutschland gibt es nicht.

© Thomas Gronenthal

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