PorträtUm die Uhr herum

Besuch bei Looping: Der letzte seiner Art

Edgar Sutter ist 78 Jahre alt – seine Augen funkeln, und agil bewegt er sich zwischen Drehbank, Lackierkabine und Etabli, an dem die verschiedenen Varianten der Looping-Wecker montiert werden. Im Moment ist er eine Einmann-Manufaktur, und die Fertigungstiefe seiner Fabrik ist nahe an den 100 Prozent. Dazu gehört nicht nur die Lackierung der Zifferblätter, das Bedrucken der Zifferblätter – auch jede Brücke und manches Rad wird hier gestanzt oder geschnitten. Sutter ist ein Meister der Rationalisierung: Jeder Arbeitsschritt ist so effizient gestaltet wie möglich.

Edgar Sutter fräst die massiven Messingsockel der Wecker. © Thomas Gronenthal

Bis in die 1960er Jahre gab es in der Schweiz noch 17 Unternehmen, die mechanische Wecker herstellten. 1922 wurde die Looping AG im neuenburgischen Corcelles gegründet, schwere Zeiten wurden überstanden, nicht aber der Zusammenbruch der schweizer Uhrenindustrie am Anfang der 80er: Die Quarzkrise. 1981 meldete das einst 100 Mitarbeiter starke Unternehmen Looping Insolvenz an. Aus der Konkursmasse kaufte Sutter 1982 sämtliche Maschinen, Werkzeuge und Uhrenteile und die beiden Marken Looping und Amyral.

Die alten Akten von Looping zeigen, wo in der Welt die Wecker aus der Schweiz verkauft wurden. © Thomas Gronenthal

Der gelernte Uhrmacher hatte damals bereits 20 Jahre selbstständige Arbeit hinter sich – er galt als einer der besten Termineure und Regleure der Schweiz. Wenn er erzählt, wird klar, das er bis heute sein Feuer für die Mechanik nicht verloren hat. Trotzdem ist Edgar Sutter auf der Suche nach einem Nachfolger, der die Fabrik übernimmt. Derjenige muss allerdings alle Werkzeuge, Ersatzteile und Rohmaterialien mitnehmen – denn seit 1982 ist das Haus der Familie Sutter auch Fabriksitz. Manche der Maschinen bringen dabei einiges auf die Waage: Die Drehbank von Schaublin wiegt 2,5 Tonnen!

Klassisch im Design, zuverlässig im Wecken: Ein Looping-Wecker. © Hersteller

Der Uhrmacher beherrscht indes alle Arbeitsschritte zur Fertigung eines Weckers im Schlaf. Einzig Zeiger, Zugfeder und Teile der Decolletage (Schrauben, Triebe, Wellen) gibt Looping & Amyral extern in Auftrag – alles andere entsteht in Bettlach. Bei manchen Schritten kommt auch das Augenmaß zum Einsatz. So erhalten die Weckergehäuse je nach Modell Zierringe, die per Diamanteinstich umlaufend in das Gehäuse geschnitten werden. Die genaue Position schätzt Sutter mit seiner Erfahrung ab – und trifft immer genau.

Das Gehäuse bekommt sein Schliffmuster. Das Werkzeug zum halten des Messingringes hat Sutter selber entwickelt. © Thomas Gronenthal

Der mechanische Wecker besteht dabei aus 123 Einzelteilen, für deren Montage 680 verschiedene Schritte aufgewendet werden. Kein Wunder also, das die Wecker kein Schnäppchen sind: Um die 390 Schweizer Franken sind nötig – umweltfreundlicher kann man sich nicht wecken lassen. Außer einem sanften Ticken sondert der mechanische Wecker keine Handystrahlung ab, braucht keine Batterien und läuft mindestens zehn Jahre ohne Ölwechsel.

Jeder der „Glocke“ genannten Böden bekommt einzeln seine Markierungen und eine Seriennummer eingeprägt. © Thomas Gronenthal

Die Werke sind so robust ausgelegt, das selbst Staubflocken nur selten für Stillstand sorgen: „Es kommt öfter vor, das wir Wecker überholen und im Ankerrad Flusen aus dem Schlafzimmer finden“, sagt Sutter. In einer Zeit, in der auf Ressourcen geachtet wird, sollte einer Renaissance des mechanischen Weckers nichts im Wege stehen. Aber auch so erfreuen sich die Modelle immer noch einer grossen Beliebtheit – ob wirklich Umweltschutzgedanken oder das romantische Ticken, die Wecker aus Bettlach verkaufen sich weiterhin.

Edgar Sutter (rechts) und Thomas Gronenthal. © T. Steinemann

Für jedes Zifferblatt gibt es einen eigenen Druckstempel. © Thomas Gronenthal

Dabei kann gewählt werden, ob das Aufziehen einmal am Tag oder alle acht Tage stattfinden soll – und die Steinzahl des Uhrwerks variiert ebenso. Nicht selten stehen auch Unternehmen auf der Bestellerliste für Werke, die die Looping-Produkte in ihre eigenen Verkaufsräume stellt. Denn auf Wunsch verziert Sutter auch die Werke mit Perlagen oder Gravuren, und selbst Bucherer oder ein bekannter französischer Luxuskonzern machten davon bereits Gebrauch und ließen sich von Looping exklusive Modelle bauen.

Er ist eben der letzte seiner Art – ein besonderer Status. Das zeigt sich auch an seinem Briefkasten, in den Uhrenspenden zum Recycling eingeworfen werden können. Überraschend ist dabei, das fast 70 Prozent der Schrottuhren verschiedenste Swatch-Modelle sind.

Das klassische Looping-Kaliber – volle Handarbeit in jedem Einzelteil. © Hersteller

In den Jahrzehnten seiner aktiven Tätigkeit hat Sutter mit namhaften Konstrukteuren und Marken gearbeitet und einige Probleme im Entwicklungsstadium lösen können. Sein Wissen als Regleur kommt ihm dabei zugute – die Unruhen und Spiralen, die sein Unternehmen anpasste, galten als die genauesten in der Branche. Schade findet er indes, was ihm manchmal zur Reparatur vor die Augen kommt. Vor allem Großuhren werden oft von Bastlern verpfuscht, und eine fachgerechte Restauration übersteigt die Kostenerwartung vieler Besitzer. Das findet der Uhrmacher schade, denn jede mechanische Uhr habe es verdient, repariert und weiter genutzt zu werden.

Das Firmenschild gehört in Bettlach zum Stadtbild. © Thomas Gronenthal

Thomas Gronenthal

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